Politik, zwo, drei'vier

■ Die Bundeszentrale für politische Bildung begibt soch vom 23.9.-2.10 zusammen mit der Stadt Bremen auf die festivaltaugliche Suche nach „Politik im Freien Theater“

Herr Reichmann ist „monatelang nächtens durch die Republik gereist“, sagt Herr Ehmke von der Bundeszentrale für politische Bildung. Herr Reichmann ist aber ausnahmsweise mal kein süßmuthgeschulter Vertreter für Safer-Sex -Plastiktütchen, sondern Leiter des Theater Forum Köln. „Ich organisiere bundes-, europa-und überseeweit Theater -Gastspiele“, erklärte Reichmann gestern im Packhaus Theater den Pressemenschen. Er ist als Fachmann ganz besonders dick beteiligt an der Vorauswahl 16 freier Theatertruppen fürs erste bundesweite „Politik im Freien Theater„-Festival in Bremen.

80 Bühnenfreibeuter hatten sich auf die im Oktober '87 überregional veröffentlichte Pressemitteilung hin gemeldet. Zwecks regionaler Ausgeglichenheit hat die Jury noch 40 weitere aus Veranstaltungsteilen von Stadtillustrierten zusammengeklaubt. 60 von den über 120 Stücken hat sich allein Herr Reichmann angesehen, auf der Suche nach „möglichst guten Dingen zum inhaltlichen Schwerpunkt“. Das macht er „ohne persönliche oder geschäftliche Interessen“. Er hat aber vorsichtshalber mal eine seiner eigenen Truppen eingeladen.

Theaterleute sind selten so wie ihr Mythos. Putzig freundliche Bürgerlichkeit auch auf der ersten Pressekonferenz zum Off-Bühnen-Fest. Herbert Wulfekuhl,

Leiter der Bremer Landeszen trale für politische Bildung, kommt wenigstens offen und ehrlich in Schlips mit Anzug. „Wenn man so viele schöne Bundesmittel bekommt“'sagt er, „dann strengt man sich schon an. Wenn das Festival gut ankommt, werde ich alle Anstrengungen unternehmen, es wieder nach Bremen zu holen. Die Zusammenarbeit zwischen Bonn und Bremen klappt hier ganz gut. Die Landeszentrale könnte eine solche Veranstaltung, die ja sechsstellige Beträge kostet, allein gar nicht durchziehen.“ Sie spendet lediglich 50.000,-aus allen ihr zur Verfügung stehenden Töpfen.

So wird die Suche nach irgendwie glanzvoll politischen Bühnenproduktionen brav von der Bonner Bundeszentrale gesponsort (sie zahlt den Löwenanteil von 200.000 Mark). Die Stadt Bremen gilt als Ansprechpartner für bestimmt kostengünstige Vermittlung von Spielstätten. Die Shakespeare Company etwa stellt ihr Theater am Leibnitzplatz senatsdankbar und fein pressewirksam ganz kostenlos zur Verfügung. Sie wurde daraufhin mit gleich drei einigermaßen unpolitischen Stücken am Festival beteiligt. Zwei laufen allerdings außer Konkurrenz. Bloß „Othello“ darf um den 10.000-Mark-Gruppen-und den 5.000-Mark-Einzelleistung -Preis mitwettkämpfen. Norbert Kentrup von der Com

pany dankt da auch schön der Vorauswahl-Jury: „Ich würde mir nie anmaßen, zu sagen, was politisch ist oder nicht. Darum bin ich froh, daß das jemand anders gemacht hat.“ Dann geht er hin und beginnt seine neue Spielzeit.

Karl Reichmann und Bundeszentrale-Jury-Mitglieder Holger Ehmke und Sabine Berthold erläutern derweil noch die Auswahlkriterien mit 1. politischer Inhalt, 2. Qualität der Darbietung („daß die Leute nicht gleich wieder aus dem Theater getrieben werden“, sagt Ehmke) und 3. regionalem Ausgleich. Der, so räumen sie ein, sei nicht ganz gelungen. Allein 7 Produktionen kommen aus dem Rhein-Ruhrgebiet, 2 aus Bremen, 0 aus Bayern oder Baden-Württemberg. Ehmke spricht von einem „Nord-Süd-Gefälle“ politischen Theaters.

Auch thematisch hängt die ganze Angelegenheit etwas durch: Faschismus nach '33, Dikatatur in Südamerika und viel Allgemeines zu gesellschaftlicher Gewaltanwendung. Deutsche Gegenwart muß irgendwie unpolitisch oder glücklich sein.

Die endgültige Jury zur Verteilung von Hit-oder Niete -Marken tagt vom 23.9. bis 2.10 in Bremen. K. Hübner (Ex -Freie Volksbühne Berlin, H. Hurtzig (Kampnagel HH), K. Reichmann, A. Roßmann (FAZ) und R. Schaper (TIP, Berlin) sitzen u.a. drin.

Petra Höfer