Biz Bize auch für Kurden

■ Juristen-Small talk über den Dschungel bei „Biz-Bize“ Gefeuerter kurdischer Journalist verlangt Wiedereinstellung

Wenn ein türkischer Mitarbeiter bei Radio Bremen einen anderen Mitarbeiter bespitzelt und Akten über ihn anlegt, ist der Sender dann verpflichtet, dem ein Ende zu bereiten? Ja, in jedem Falle, meinte gestern vor dem Arbeitsgericht der Anwalt des gefeuerten kurdischen Radio-Journalisten Ibrahim Atakli. Das gebiete die gesetzliche „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers gegenüber dem Mitarbeiter. Außerdem sieht Rechtsanwalt Eberhard Schultz seinen Mandanten beim Sender einer politischen Diskriminierung ausgesetzt. Als Angehöriger der verfolgten kurdischen Minderheit sei er Opfer einer Intrige rechtsradikaler Türken geworden. Deswegen sei hier auch der Artikel 3 des Grundgesetzes anzuwenden, der Diskriminierung aus Gründen der Rassenzugehörigkeit verbiete.

Im Juni war Atakli entlassen worden. Er war Mitarbeiter der türkischen Regionalsendung „Biz Bize“, die seit drei Jahren allabendlich eine halbe Stunde für die türkischen BremerInnen funkt.

Sprachliche und inhaltliche Mängel hatte Radio Bremen dem entlassenen Journalisten zur Begründung vorgeworfen. Bei der gestrigen „Güteverhandlung“ vor dem Arbeitsgericht gab es zwar keine gütliche Einigung. Vielmehr wurden im Small talk zwischen den beiden gegnerischen Anwälten und Richter Adolf Claussen die Möglichkeiten der Rechtsfindung erörtert.

Hat der Sender sich den „richtigen Dolmetscher“ ausgesucht, als er die Mängel in Ataklis Beiträgen feststellte, fragte Claussen. Denn die Animositäten zwischen Türken und Kurden seien so weit verbreitet, daß ein schlechtes Dolmetscher -Urteil aus anti-kurdischem Ressentiment für ihn immerhin denkbar sei. Bis heute ist dem Entlassenen das Dolmetscher -Gutachten, das ihm den Job kostete, nicht gezeigt worden. Ein Übersetzer mit Vertrauen bei beiden streitenden Parteien solle deshalb die Beiträge Ataklis noch einmal beurteilen, regte Richter Claussen an.

Andererseits: Er als Zivilrichter könne es keinem Mitarbeiter verbieten, Erkenntnisse über einen Kollegen zu sammeln, fand Claussen. Wenn diese Akten dann beim Sender geführt würden, dann sei das allenfalls unter dem Gesichtpunkt interessant, daß eine „doppelte Personalakte“ gesetzeswidrig sei.

Was die Kurden-Politik von Radio Bremen angeht, da hatte Richter Claussen eine deutliche Meinung: Radio Bremen könne nicht einfach die Doktrin der türkischen Regierung übernehmen, derzufolge die Kurden als Nationalität in der Türkei nicht existieren. Von all dem mochte der Rechtsvertreter des Senders nichts hören: „Das mögen ja alles Fakten sein. Hier interessiert es aber nicht, solange es nicht Gegenstand von Personalakten und Personalentscheidungen geworden ist.“ Der Prozeß wird erst im November fortgesetzt.

mw