Das Müllmärchen

Es war einmal eine Insel im großen blauen Ozean. Die Stammeshäuptlinge hatten große Sorgen, denn die Inselbewohner, die im Müll zu ersticken drohten, wollten die Müllberge auf ihrem schönen Eiland nicht länger dulden. So mußten die verschiedenen giftigen Müllsorten getrennt gesammelt werden, und das nannte man Umweltschutz, und die Inselbewohner waren zufrieden. Aber die Häuptlinge wußten nicht mehr wohin mit dem ganzen Plunder. Da kamen sie auf eine großartige Idee: Um die Insel herum gab es ein hohes undurchdringliches Korallenriff. Dahinter wohnten nur die Fische, die stumm waren und deshalb kein Recht hatten, sich über irgendetwas zu beklagen. So konnten die Häuptlinge ungeschoren den schönen, getrennt gesammelten Giftmüll einfach hinter dem Korallenriff ins Meer werfen, denn der Ozean war tief, und die Fische hatten keine Gerichte, die sie hätten anrufen können, weil sie vergiftet wurden. Obwohl die Inselhäuptlinge sie immer ihre „Brüder und Schwestern“ nannten, brauchten sie sich um die Fische keine Sorgen zu machen. Wenn ein Fisch aufmuckte, kam sofort die Raubfischpolizei und schlug mit ihren scharfen Zähnen unerbittlich zu. Dafür waren die Raubfische ganz praktisch, wenn die Häuptlinge sie auch sonst erbittert beschimpften. Wie es dazu kam, daß dieser Frevel ruchbar wurde, weiß keiner genau. Irgendein fliegender Fisch muß die Klage der Fische über das Riff übertragen haben, und im Fernsehen kam ein Film, der statt schöner bunter Korallenwelt einen großen Haufen Giftmüll zeigte. Aus: 'Umweltblätter‘ 6/88, Ost-Berlin