„Ein junger Mann aus der Mitte Amerikas“

Mit seiner Entscheidung für Dan Quayle als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft ist Bush eine Überraschung gelungen Der unbekannte Senator aus Indiana, ein Reaganist reinsten Wassers, soll den rechten Parteiflügel an Bush binden  ■  Aus New Orleans Stefan Schaaf

Die Entscheidung für Dan Quayle als Partner im Präsidentschaftswahlkampf sei für George Bush vor allem eine in die Zukunft weisende Wahl, sagte sein Sprecher am Dienstagabend auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz. Ein Reporter hatte Zweifel: unter allgemeinem Lachen hakte er nach, ob der Reagan-Vize sich nicht vielmehr einen Sohn ausgesucht habe.

Die Überraschung jedenfalls ist George Bush gelungen: Niemand unter den Tausenden von Journalisten und Beobachtern des Republikanischen Parteitags in New Orleans hatte damit gerechnet, vor Mittwochabend oder sogar Donnerstagmorgen zu erfahren, wer der - oder gar die - Zweite auf dem Bush -Ticket sein würde. Doch am Dienstagmittag verdichteten sich innerhalb kurzer Zeit die Gerüchte, daß Bushs Wahl auf den 41jährigen, eher unbekannten konservativen Senator aus Indiana gefallen sei.

Erst verkündeten Senator Robert Dole und seine Frau Elizabeth, die ehemalige Transportministerin Reagans, daß Bush beiden abgesagt habe, dann kam die gleiche Nachricht von New Mexicos Senator Domenici. Offiziell wurde die Nominierung Quayles, als Bush ihn überraschend einer jubelnden Menge präsentierte, die die Ankunft des Vizepräsidenten in New Orleans beobachtete. Er sei ein „dynamischer junger Anführer, ein Mann der Zukunft für unsere Partei und unsere Nation, aus der Mitte unseres Jahrhunderts und der Mitte Amerikas“, sagte ein hemdsärmliger Bush vor dem Hintergrund des Mississippi und einem strahlenden Quayle samt Familie an seiner Seite. Quayle machte politisch Furore, als er vor acht Jahren den populären liberalen Demokraten Birch Bayhe von seinem Senatssitz verdrängte; Quayles Wahlsieg wäre ohne Reagans Kampagne für eine konservative Wende in den USA schwer vorstellbar gewesen. Der damals 33jährige Anwalt aus einer reichen Verlegerfamilie hatte bereits vier Jahre im Repräsentantenhaus hinter sich.

Am Anfang wurde er als Leichtgewicht belächelt, der vor allem wegen seines guten Aussehens gewählt worden sei („wie der junge Robert Redford“), doch mittlerweile gilt er als parlamentarischer Fleißarbeiter für die Sache Ronald Reagans - und seiner WählerInnen in Indiana: in seinen ersten sechs Jahren im Senat schaufelte er mehr als eine Milliarde Dollar Rüstungsaufträge in den mittelwestlichen US-Bundesstaat.

Bushs Wahlkampfleiter, Ex-Finanzminister James Baker, nannte drei Kriterien, die Bushs Wahl bestimmt hatten: der Vizekandidat müsse „außerordentlich qualifiziert“ sein, selbst die Präsidentschaft zu übernehmen; er müsse mit Bush kooperieren können; und er müsse dem Wahlkampf dienen, ohne selbst all zu große Angriffsflächen zu bieten. Die letzten beiden Punkte waren deutlich auf Bushs Konkurrenten im Vorwahlkampf gemünzt, die den Vizepräsidenten wegen seiner unklaren Rolle unter Reagan genauso heftig kritisiert hatten, wie es jetzt die Demokraten tun.

Quayle helfe Bushs Kandidatur, so die Bush-Kampagne, weil er die Attraktivität der Republikaner unter den „Baby -Boomern“ erhöhe, seine Wahl sei „ein kühner Griff über die Generationengrenze„; außerdem habe er bewiesen, daß er ein „exzellenter Wahlkämpfer“ sei. Er komme auch bei Arbeitern und Frauen gut an - Bevölkerungsgruppen mit Vorlieben für die Demokraten. Ob diese Qualifikationen ausreichen, um fehlende Erfahrung und weitgehende Unbekanntheit außerhalb Indianas auszugleichen, muß stark bezweifelt werden.

Zufrieden mit Bushs Entscheidung für Quayle ist der rechte Flügel der Partei. Senator Gordon Humphrey, Wortführer einer Gruppe republikanischer Ultras, die in New Orleans für einen gleichgesinnten Vize stritten, nannte Quayle eine „gute und angemessene Wahl“. Bush und Quayle seien „hochqualifiziert“, Reagans Erbe zu bewahren und „die ernsthafte Gefahr zurückzuschlagen, die der Sicherheit unserer Nation und unserer Zukunft von dem Trio Dukakis-Bentsen-Jackson droht“.

In außen- und rüstungspolitischen Fragen ist Quayle ein Reaganist reinsten Wassers. Er unterstützte Reagans Rüstungsaufbau als Weg, die Sowjets an den Verhandlungstisch zu bringen. Im Senat stritt er für eine Strategie der aktiven militärischen Konfrontation der US-Militärmacht mit den Schwachstellen der sowjetischen Verteidigung. Er tritt für eine möglichst rasche Stationierung von SDI und für Militärhilfe für die Contras ein. Auch wirtschaftspolitisch unterstützte er Reagans Strategie der Steuerkürzungen, die den USA ihr Rekord-Haushaltsdefizit bescherten, doch setzte er sich 1972 für ein weitergehendes Job-Trainingskonzept ein, als Reagan gutheißen wollte.