Ein Stratege des Ausstiegs

Schleswig-Holsteins Energieminister hat die erste Gelegenheit genutzt  ■ P O R T R Ä T

Die SPD-Landesregierung in Kiel war noch nicht gewählt, da versuchte der designierte Energieminister und orthodoxe linke Sozialdemokrat Günther Jansen (52, verheiratet, ein Kind) bereits, das künftige Kabinett auf einen Ausstieg aus der Atomenergie binnen zweier Jahre festzulegen. Engholm hielt dagegen: Allein die Erstellung rechtlicher Gutachten für den Ausstieg werde zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Jansens Vorstoß im Wahlkampf war dabei typisch für seine gesamte politische Biographie. Der langjährige bis 1987 amtierende Landesvorsitzende der Sozialdemokraten und Nachfolger des legendären und mit ihm politisch eng verbundenen Jochen Steffen ist immer dafür bekanntgewesen, daß er sehr früh und präzise Positionen bezieht, die die Parteimehrheit hart kritisieren. Insbesondere in den siebziger Jahren war er ein innerparteilicher Gegenspieler des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt in der SPD.

Bereits 1979, ein Jahr vor Gründung der Grünen, beschlossen die Sozialdemokraten in Schleswig Holstein unter seiner Führung und als erster Landesverband, den Ausstieg aus der Atomenergie anzupeilen. Schon vorher, auf dem Hamburger Energieparteitag der SPD, war er der Wortführer der AKW -Gegner.

1980 ging er dann erneut auf Konfrontationskurs mit der Bonner Regierungs-SPD und sprach sich gemeinsam mit dem Landesvorstand seiner Partei gegen den Nato -Nachrüstungsbeschluß aus. Als Minister ist er jetzt zum ersten Mal - wenn man von seiner komunalpolitischen Arbeit als Bürgermeister der Ost-Holsteinischen Gemeinde Süsel absieht - gezwungen, seine Positionen in Tagespolitik umzusetzen.

Das Gutachten des norddeutschen TÜVs, der gebrochene Zentrierstab im AKW Brokdorf, der jetzt die Landesregierung auf seine Empfehlung hin zu dem Beschluß veranlaßte, das AKW vorerst nicht wieder ans Netz gehen zu lassen - das wird Jansen sicherlich gelegen gekommen sein. Taktisch geschickt betonte er sofort, daß seine Stillegungsentscheidung nichts mit dem Ausstieg aus der Atomenergie zu tun habe.

Und in der Tat ist der Brokdorf-Beschluß vom Dienstag ja nicht ideologisch oder energiepolitisch, sondern technisch begründet. Jansen hat damit eine völlig neue Ebene der Auseinandersetzung um die Atomenergie gefunden. Dazu paßt auch der Brief, den er gemeinsam mit dem TÜV-Gutachten an Bundesumweltminister Töpfer sandte und mit dem er ihn, der landauf-landab das hohe Lied von Korrektheit und Sicherheit singt, in eine politische Auseinandersetzung darüber zwingt. Jansen hat - und das ist neu - die Sicherheitsdiskussion mit seinem Ausstiegskonzept im Hintergrund verknüpft.

mtm