BVG-Versorgungsloch droht

■ Einhellige Kritik der BI Westtangente und Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange zu den vorliegenden S-Bahn-Planungen in Schöneberg

Die offenkundige Absicht des Senats, das leidige Thema „Westtangente“ aus dem bevorstehenden Wahlkampf herauszuhalten, könnte jetzt möglicherweise eine neu aufkommende Diskussion über die mit dem Straßenbauprojekt in Zusammenhang stehenden Vorentscheidungen im S-Bahnbereich durchkreuzt werden. So kritisierten Sprecher der Bürgerinitiative Westtangente und der Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange (IGEB), daß der geplante S-Bahnhof Kolonnenstraße unter der Julius-Leber -Brücke wegen der vorgesehenen Verschwenkung der Nord-Süd-S -Bahn auf die Wannseebahn entlang der Ringbahn nördlich des Bahnhofs Papestraße gleich als Umsteigebahnhof mit zwei Seiten Bahnsteigen bebaut werden soll.

Ursprünglich hatte die Senatsbauverwaltung in einer ersten Baustufe nur eine Haltestelle für die Wannseebahn favorisiert. Mit geschätzten Kosten von 16 Millionen Mark wäre der Bahnhof nun in Bau und Unterhaltung viel teurer als ein „normaler“ Bahnhof. Außerdem lasse er in dem Trog der Wannseebahn auf einem 500 Meter langen Stück kein Naturgrün mehr übrig, klagten die Vertreter der BI und der IGEB auf einer Pressekonferenz. Indes wurde im Hause von Verkehrssenator Wronski eingeräumt, daß die 170 Millionen Mark teure Verschwenkung in erster Linie deshalb geplant ist, um die jetzige Trasse der S2 zwischen Pape- und Yorckstraße für den Schnellstraßenbau freizuräumen. Damit werde auch der Bahnhof Yorckstraße stillgelegt, den laut der BI Westtangente täglich 4.000 Fahrgäste nutzen.

Eine krasse verkehrspolitische Fehlentscheidung, die das BVG-„Versorgungsloch“ im Nordwesten Tempelhofs und im südwestlichen Kreuzberg noch vergrößern, wie der BI-Sprecher Norbert Rheinländer zusammen mit dem IGEB-Bahnexperten Christfried Tsepe darlegte. Sie forderten statt dessen, die S2 auf ihrer bisherigen Trasse weiterfahren zu lassen und zusätzlich zur Haltestelle Kolonnenstraße einen Bahnhof Dudenstraße zu bauen. Weiter schlugen sie eine Verlängerung von Wannseebahn und Nord-Süd-Bahn ab den Bahnhöfen Großgörschen- bzw. Yorckstraße zum Gleisdreieck und weiter bis zum Potsdamer Platz vor. Sowohl der Bahnhof Gleisdreieck als auch der Potsdamer Bahnhof, von dem zwei Ausgänge auf westliches Gebiet führten, könnten dann zum Umsteigen zwischen den zwei S-Bahnlinien benutzt werden. Einen als „Sackgassenbahnhof“ geplanten U-Bahn-Umsteigebahnhof Gleisdreieck, zu dem nach den Senatsvorstellungen über eine Stichstrecke ein Teil der Wannseebahn-Züge auf direktem Wege fahren sollen, lehne man ab.

Kontroverse Vorstellungen, auf die Bausenator Wittwer gestern anläßlich einer Pressevorführung der Tiefbauarbeit am S-Bahnhof Steglitz nicht weiter einging. Im September werde der Senat nunmehr über die Prioritäten beim weiteren Ausbau des Schnellbahnnetzes der Stadt entscheiden, kündigte Wittwer an. In Konkurrenz lägen „selbstverständlich S -Bahnlinien“, und es gebe „überhaupt keinen Zweifel, daß mit dem S-Bahn-Südring begonnen werden muß“, so der Senator.

Mit Hilfe eines vom Reichsbahnwerk Pankow samt Mannschaft gemieteten Krans wurden auf dem Steglitzer Bahnhof gestern zwei jeweils 22 Meter lange Gleisbrücken provisorisch an der Stelle des Bahnhofs montiert, unter der der sieben Millionen Mark teure U-Bahn-Tunnel für die zeitlich noch ungewisse Verlängerung der Linie9 nach Lankwitz laufen soll.

thok