Blockaden-betr.: "Vom militanten zum zahmen AKW-Protest", taz vom 8.8.88

betr.: „Vom militanten zum zahmen AKW-Protest“, taz vom 8.8.88, S. 5

(...) Sind für Sie Menschen, die versuchen, gewaltfrei zu bleiben und Dialoge zu suchen nur noch zu belächeln? Die Bildunterschriften und die Assoziationen „peacig“ „spießig“ scheinen mir das zu belegen.

(..) Die Blockaden in ihrer jetzigen Art sind das (vorläufige) Ergebnis eines politischen Weges, den Menschen sehr unterschiedlicher Auffassungen miteinander gegangen sind; die Vorgehensweisen resultieren aus den Erfahrungen der zwei Jahre, zum Beispiel beruht das Ankündigen des Blockadeendes auf der Hoffnung, so die wartenden Arbeiter eher gesprächsbereit zu finden - ein Anliegen, das einigen von uns sehr wichtig ist, gerade weil die direkte Störung nur symbolisch bleiben kann (wir sind einfach zu wenige). Dennoch glaube ich, daß wir dem Atomstaat nicht ganz „ungefährlich“ geworden sind, die nicht endenden Prozesse scheinen mir das zu beweisen.

Natalie Berghahn, Hamburg 76

Welche geistige Haltung macht es möglich, daß mit der Staatsmacht zusammengearbeitet wird? Einer Staatsmacht, die für Ruhe und Ordnung zum Schutz des kapitalistischen Systems zu sorgen hat und nicht etwa primär für die Demonstrationsfreiheit? Wer hier nicht mehr unterscheiden kann zwischen einzelnen Individuen in Uniform und gezielten Interessen der Polizeiführung in einem kapitalistischen System, macht sich meines Erachtens (Lernprozeß auch bei mir) der Kollaboration schuldig. Wem verschiedene Polizeidienstvorschriften bekannt sind, weiß, welchen Stellenwert zum Beispiel der Dialog im Rahmen der Polizeieinsatzziele hat. Es kann gefährlich werden, wenn wir nicht sehen wollen (vielleicht um Ohnmachtsgefühle zu verhindern) welche Interessen dahinterstecken, wenn die Polizei um ein gutes Verhältnis zu einzelnen Demonstrationsgruppen bemüht ist. Das hat nichts damit zu tun, daß die Polizeibeamten auch zum Teil mit den Zielen der Demonstranten übereinstimmen (was sicher zum Teil richtig ist), sondern ist reine Taktik. Umkehrfähig sind Individuen in einem Apparat, aber nicht der Apparat als solcher. Das bedeutet, Gespräche führen mit den Beamten vor Ort, über die Zeile der Aktion aufklären und den Beamten die eigene Verstrickung deutlich machen. Deutlich machen die Spannung zwischen eigenen Interessen der Beamten als Menschen und ihrer als Teil einer Polizeimaschine. Eine Zusammenarbeiot mit dem Apparat kann es nicht geben. Ich appelliere hier wirklich an unser aller Fähigkeit, klar zu analysieren, mit welchen Kräften wir konfrontiert sind, wo der Dialog möglich und sinnvoll ist und ab wann wir uns einwickeln lassen von Dialogangeboten, die keine sind.

H. Olsen, Schwäbisch-Gmünd

(...) Ich halte es für eine Art von Entschlossenheit, trotz der vielen Prozesse, Verurteilungen, Geldstrafen und Knast, die nebenbei auch viel Zeit und Kraft kosten, immer wieder nach Brokdorf zu gehen und mit unserer peacigen Mahnwache gelegentlich lange Autoschlangen von zum Teil arbeitswütigen AKW-Beschäftigen zu verursachen. Über 100 Leute von uns sind bisher wegen Nötigung oder Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und anderer Vergehen verurteilt worden, manche mehrmals. Einige sind zur Zeit im Knast. Auch die Begegnungen mit der Polizei sind nicht immer die wahre Freude - aber darüber wißt ihr ja wohl Bescheid. Umso mehr wundert es mich, wie der Dieter darauf kommt, daß es Absprachen mit der Polizei gibt. So etwas hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Wenn wir mit denen reden und mit den AKW-Arbeitern, dann doch bestimmt nicht im Sinne von Absprachen.

(...)

Elke