Beratungen zu Neukaledonien

Delegationen der Befreiungsfront und der Siedler-Partei treffen Kolonie-Minister Le Pensac in Paris / Verhandlungen zum Referendum über das Rocard-Abkommen / Kanaken kritisieren den Wahlmodus  ■  Aus Paris Beate Seel

Über die Zukunft der französischen Kolonie Neukaledonien beraten seit Mittwoch in Paris Vertreter der Regierung, der kanakischen Befreiungsfront FLNKS und der kaledonischen Siedler-Partei RPCR. Vom Verlauf der auf mehrere Tage angesetzten Verhandlungen wird abhängen, ob das Referendum über das sogenannte Rocard-Abkommen wie geplant Ende September stattfinden kann. Zuvor muß das Parlament noch eine entsprechende Gesetzesvorlage beschließen.

Das Rocard-Abkommen sieht vor, daß Neukaledonien für die Dauer eines Jahres der direkten Verwaltung Frankreichs unterstellt wird. Während dieser Zeit sollen Gesetzesvorlagen über neue Institutionen ausgearbeitet und rückständige Regionen sowie die Ausbildung junger Kanaken finanziell gefördert werden. Ferner ist eine Neueinteilung des Landes in drei Regionen und eine Abstimmug über Selbstverwaltung im Jahre 1998 vorgesehen.

„Es ist unbedingt notwendig, daß das Gesetz über das Referendum verabschiedet wird“, erklärt der Vorsitzende der FLNKS, Jean-Marie Tijabaou, bei seiner Ankunft in Paris. Zugleich forderte er „begleitende Maßnahmen“. So soll der Punkt des Abkommens, der die Wahlberechtigung bei der Abstimmung über die Unabhängigkeit der Kolonie regelt, zugunsten der Kanaken verändert werden.

Weitere strittige Punkte sind die die Siedler begünstigende Einteilung Neukaledoniens in drei Provinzen und die Frage einer allgemeinen Amnestie. Im Text des jetzigen Abkommens sind diejenigen nebst ihren Kindern abstimmungsberechtigt, die auch beim Referendum im Herbst an die Urnen gehen können. Die FLNKS kritisiert diesen Passus, weil damit auch erst kürzlich eingewanderte Franzosen sowie vorrübergehend stationierte Sicherheitskräfte stimmberechtigt sind, während zugleich viele Kanaken, die aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit ausgewandert sind, nicht abstimmen dürfen.

Da jedoch für die rechtsgerichtete Partei der französischen Siedler das Rocard-Abkommen mit diesem Passus steht und fällt, hat die FLNKS von Alternativ-Vorschlägen zur Wahlberechtigung Abstand genommen. Sie fordert nun einen Katalog begleitender steuerlicher, wirtschaftlicher und sozialer Maßnahmen, die der Auswanderung der Kanaken vorbeugen und den Verbleib auf der Insel attraktiver machen soll.

Damit wäre in der Tat beiden Seiten Genüge getan: Der französische Minister für Übersee-Kolonien, Louis Le Pensac, könnte den Siedlern versichern, daß kein Jota an diesem Passus des Abkommens geändert wurde. Zugleich würde man mit den „begleitenden Maßnahmen“ den Wünschen der Kanaken entgegenkommen. Diese Maßnahmen, die von einer Sonderkommission überwacht werden sollen, sehen unter anderem eine beschleunigte Integration der Kanaken in den Verwaltungsapparat vor.