Hormonskandal verschwiegen

Stuttgarter Minister Weiser (CDU): NRW-Regierung bereits seit Anfang Mai informiert  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung hat der Öffentlichkeit den bislang vemutlich größten Hormonskandal in der bundesdeutschen Kälbermast trotz detaillierter Informationen fast drei Monate lang verschwiegen. Das warf der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser (CDU) den Behörden in Nordrhein-Westfalen am Donnerstag vor. Mit einer verfehlten Informationspolitik über den Hormonskandal hätten sie den Landwirten in der Bundesrepublik „einen unabsehbaren Schaden zugefügt“.

In einem der taz vorliegenden Fernschreiben hat die Landespolizeidirektion Stuttgart das nordrhein-westfälische LKA bereits am 11.Mai dieses Jahres wegen des „illegalen Einsatzes von Hormonen und anderen Präparaten in der Kälbermast“ alarmiert. Wörtlich heißt es in diesem Telex des Stuttgarter LKA: „Dem Ministerium für ländlichen Raum, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg ist aus Insider -Kreisen eine Injektionslösung zugesandt worden, die dem als 'Apfelsaft‘ bekannten Hormon-Cocktail entsprechen soll. Darüber hinaus wurde auch noch ein weißes Pulver mitgeliefert, welches als 'Weißmacher‘ in den Kälbermastbetrieben zum Einsatz kommen soll. Es handelt sich dabei angeblich um einen in der Konservenindustrie verwendeten Konservierungsstoff mit haemolytischen Eigenschaften, der 14 Tage vor der Schlachtung dem Kälberfutter beigegeben wird. Damit soll erreicht werden, Fortsetzung auf Seite 2

daß das Fleisch dieser Tiere ein besonders helles, kalbfleischspezifisches Aussehen erhält.“

Und weiter heißt es in dem Schreiben an das LKA Nordrhein -Westfalen: „Nach Mitteilung des Informanten sollen die vorgenannten Präparate aus Holland kommen und insbesondere über den Futtermittelhandel weitergeliefert werden. In einschlägigen Kreisen ist der Informant auf die Beschaffungsmöglichkeiten hingewiesen worden. Auf dem genannten Wege sind auch die Präparate, welche mit übersandt wurden, bezogen worden. Als Bezugsquellen dieser Hormon -Cocktails bzw. der anderen Präparate wurden folgende Firmen genannt: 1. Bellaphram, Lohnerstraße 19, 2848 Vechta 1, 2. Bewital 4286 Südlohn-Oeding.“

Die Firma „Bewital“ gehört dem Mäster Wigger, gegen den die Staatsanwaltschaft Münster am vergangenen Wochenende aufgrund von Hinweisen aus dem Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und illegaler Masthilfen eingeleitet hat. Das LKA in Nordrhein -Westfalen hatte seine Kollegen in Stuttgart am 13.Mai dieses Jahres lediglich lapidar wissen lassen, daß die Futtermittel- und Kälbergroßmästerfirma Bewital in Südlohn -Oeding seit Jahren amtsbekannt sei und gegen den Besitzer Bernhard Wigger seit 1977 staatsanwaltschaftliche Ermittlungen liefen.

Der Sprecher des Düsseldorfer Landwirtschaftsministeriums, Wolfgang Buchow, erklärte am Donnerstag auf Anfrage der taz, seinem Hause habe das Fernschreiben der Landespolizeidirektion Stuttgart bis zum heutigen Tage niemals vorgelegen. Auch sei Minister Klaus Matthiesen, der sich in den letzten Tagen sichtlich rühmte, den bislang größten Hormonskandal in der Kälbermast aufgedeckt zu haben, seines Wissens nicht auf anderem Wege von seinem baden -württembergischen Amtskollegen Weiser über mögliche illegale Praktiken in der Kälbermast informiert worden. Matthiesen selbst bezeichnete die Vorwürfe aus Baden -Württemberg an die Adresse der nordrhein-westfälischen Landesregierung als „unbegründet“ und „angesichts der Dimension dieses Skandals kleinkariert“.