Böttcherstraße vorm Ausverkauf gerettet

■ Sparkasse kauft Roselius für 5,5 Millionen Mark die Gebäude ab / Senat bewilligt Mittel für Ankauf der Kunstsammlungen / Zur Gesamtfinanzierung von 15,5 Millionen werden private Mäzene und Bundeshilfen gesucht

Die Böttcherstraße bleibt Bremen erhalten. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem bisherigen Besitzer und Roselius -Erben, Ludwig Roselius jun., verkün

dete Kultursenator Horst Werner Franke gestern den Durchbruch seiner Bemühungen um die 107 Meter lange Bremer Renommiergasse.

Schlüssel zum Rettungskonzept: Für 5,5 Millionen Mark übernimmt Die Bremer Sparkasse die 20 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. Weitere 15,5 Millionen müssen für die zahlreichen Kunstsammlungen, insbesondere die große Paula -Becker-Modersohn-sammlung mit 23 Gemälden, 34 Zeichnungen und fünf Radierungen, aufgebracht werden. Für die Finanzierung hofft der Senator - neben vom Senat bereits beschlossenen Bremischen Eigenmitteln - auch auf private Mäzene und bundespolitische Kulturfonds.

Bürgermeister Wedemeier gestern zum Entschluß des Senats, Gelder für den Erhalt der Böttchestraße zur Verfügung zu stellen: „Trotz schwieriger Haushaltsituation hat sich der Senat zum Handeln entschlossen, weil die endgültige Sicherung der Böttcherstraße kulturpolitisch von gar nicht zu überschätzender Bedeutung für Bremen und die

Bundesrepublik insgesamt ist“. Kultursenator Franke ergänzend: „Dies war nur möglich, weil bankiers und Kaufleute das Projekt solidarisch mitbeförderten. Mit dieser bremischen Lösung ist es vereint gelungen, das bedeutende Gesamtkunstwerk für die Hansestadt zu erhalten.“

Die Spekulationen um einen möglichen Verkauf der Böttcherstraße an private Investoren und den Ausverkauf der Kunstsammlungen an private Kunstliebhaber waren nicht zur Ruhe gekommen, seit Roselius das Haus Atlantis am Ende der Böttcherstraße an einen schwedischen Investor verkauft hatte. Hier und auf einem angrenzenden Grundstück an der Wachtstraße plant die Hotelkette „Scandic“ den Neubau eines Hotels. Nach langwierigen Verhandlungen, bei der die Bremer Behörden bewußt auf Zeit spielten, um gleichzeitig eine Lösung zur Rettung der übrigen Böttcherstraße zu erreichen, wurde jetzt die Bau

gnehmigung erteilt.

Vor 10 Jahren war die Böttcherstraße von Rolselius jun. schon einmal verkauft worden. Mit der Roselius-Firma „Kaffee -Hag“ ging auch das Bummelgässchen mit kultur-und architekturgeschichtlicher Bedeutung in den Besitz des amerikanischen Unternehemens General Food über. Auf öfffentlichen Druck kaufte Roselius sie später zurück.

Jetzt, so Bürgermeister Wedemeier, soll „die Übernahme des Kunstbesitzes in die öffentliche Hand jede weitere denkbare Abwanderungsmöglichkeit ein für allemal verhindern.“

Die Kunstsammlungen hat Ludwig Roslius der Ältere, beraten von anerkannten Fachleuten, im wesentlichen in den 20er Jahren zusammengetragen. Im ersten von Roselius erworbenen und nach ihm benannten Haus ist angewandte Kunst aus dem norddeutsch-niederländischen Raum aus dem 12. bis 18. Jahrhhundert. Außerdem gibt es 75 Gemälde

und Plastiken aus dem 14. bis 18. Jahrhunderts.

Glanzstücke sind eine Mutter Gottes in Halbfigur von Conrad von Soest, eine Mutter Gottes mit dem Heiligen Josef von Joost van Cleve, mehrere Bilder von Lucas Cranach dem Älteren, eine überlebensgroße Figur des Heiligen Christophorus aus Norddeutschland um 1490 und die Beweinungs -Gruppe, ein Spätwerk von Riemenschneider.

Der Bremer Bildhauer Bernhard Hoetger ist in der Böttcherstraße mit zwei wichtigen expressionistischen Bauwerken, Haus Atlantis und Paula-Becker-Modersohn-Haus vertreten. Außerdem gibt es von ihm 22 mit der Architektur fest verbundene Plastiken und Reliefs, 14 bewegliche Bronzewerke sowie zwölf Werke aus Majolika, Prozellan oder Gußstein und 78 Handzeichnungen. Auch sein Zyklus „Licht-und Schattenseiten“ gehört dazu.

taz/dpa