Politiker-Streit nach Geiselnahme

FDP-Politiker fordert Rücktritt der Innenminister von NRW und Bremen / Oppositionsparteien CDU und FDP in NRW fordern „unverzügliche parlamentarische Aufklärung“ / Finaler Todesschuß wieder im Gespräch  ■ Klaus Hartung/Walter Jacobs

Düsseldorf/Bonn (taz) – Nach dem tödlichen Ende des „Geiseldramas“ bei Bad Honnef werden politische Konsequenzen gefordert. Der Druck auf die sozialdemokratischen Innenminister Schnoor und Meyer nimmt zu, vor allem, weil ihre Versionen des Polizeieinsatzes mehr Fragen aufwerfen als klären. Bildungsminister Möllemann fordert den Rücktritt beider Innenminister, weil sie nicht früher gehandelt hätten. Er fordert in diesem Zusammenhang den finalen Todesschuß. Ähnlich plädierte Gerster (CDU) für den Einsatz der GSG 9. Ausdrücklich erklärt er, daß die „Verhöhnung des Rechtstaates“ Grund genug ist, den Tod der Geiseln in Kauf zu nehmen. Gerhard Baum (FDP) meinte, der Hauptfehler war, die Bankräuber aus Gladbeck entkommen zu lassen. Kleinert, rechtspolitischer Experte aus seiner Fraktion, kritisiert die mangelnde Ruhe der Polizei bei der Beendigung des Geiseldramas. Mit Blick auf die von CDU/ CSU geforderte Debatte im Bundestag erklärte er, es gebe „viel zu viele sogenannte Nachspiele im Bundestag.“ Der Bundestag solle nicht die „Aufgeregtheiten“ fortsetzen, die „zu so einem unglücklichen Ausgang geführt haben.“ Die SPD-Abgeordnete Däubler- Gmelin wirft Unionspolitikern vor, eine „unwürdige Verlängerung des Stammtisches in die Politik zu betreiben.“ Christa Nickels von den Grünen hebt das Versagen der Polizei hervor. Sie habe Verhandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Außerdem warnt sie vor der Gefahr einer Strafverschärfungs-Debatte.

Die nordrheinwestfälischen Oppositionsparteien CDU und FDP haben in einer gemeinsamen Erklärung die „unverzügliche und rückhaltlose parlamentarische Aufklärung“ des Geiseldramas gefordert und Sondersitzungen des Haupt-, Innen-, und Rechtsausschusses verlangt. In einer gemeinsamen Sitzung der Innenausschüsse von Bremen und NRW will die Opposition insbesondere geklärt haben, warum die Einsatzleitung nicht die GSG9 „den entscheidenden Einsatz führen ließ“. Vom Ergebnis der parlamentarischen Beratungen hänge es ab, so die Opposition, „welche personellen Konsequenzen von der Landesregierung zu ziehen sind“. Am Freitag erklärte Innenminister Schnoor (SPD) im WDR, er übernehme „selbstverständlich“ die politische Verantwortung für die Aktion. Er sei während des ganzen Dramas „eigentlich über jede Stunde informiert“ gewesen. Zwar leite er nicht die Einsätze, „aber natürlich muß ich sie im Ergebnis verantworten“. Auf die Frage, ob sich gesetzlich etwas ändern müsse, antwortete der SPD-Innenminister: „Nein, das sehe ich nicht“. Es sei auch noch „verfrüht“, über Konsequenzen zu reden. Die Entscheidung für den Einsatz, bis dahin, die Täter „auszuschalten“, ist laut Schnoor schon in der Nacht zum Donnerstag gefallen. Die Taktik der Polizei sei es gewesen, „das Vertrauen der Täter zu gewinnen, indem die Polizei immer wußte, wo sie waren, aber die Täter dieses nicht wissen ließ“. Die Recklinghauser Polizei habe darauf gesetzt, „sie werde die Täter verfolgen, ohne daß die es merken. Das gelang auch. Aber dann haben Journalisten im Bremer Raum davon Wind bekommen“, sagte Schnoor im WDR. Dadurch habe das Konzept der Polizei nicht mehr aufgehen können. Zumindest in Bremen ist die Polizei selbst so dicht an dem Fluchtwagen gewesen, daß die Geiselnehmer schon nervös wurden. Dies berichtete jedenfalls eine Geisel, die später frei gelassen worden war.

Die 18jährige Silke Bischoff, die am Ende des Geiseldramas den Tod fand, ist nach Informationen des Düsseldorfer Innenministeriums mit „99prozentiger Sicherheit“ von dem Geiselgangster Dieter Degowski durch „einen aufgesetzen Herzschuß“ aus dessen Waffe getötet worden. Die zweite Geisel erlitt einen leichten Streifschuß. Aus welcher Waffe, war am Freitag noch nicht klar. Degowski überstand die Schießerei mit der Polizei unverletzt. Unklar blieb auch gestern, warum das Polizeisonderkommando aus Köln am Donnerstag mittag die Geiselnehmer gestoppt und Schußwaffebn eingesetzt hatte, obwohl der Einsatz der GSG9 für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen war.

Die Medien werden in immer schärferen Tönen geprügelt. Hirsch fordert Intervention des Presserates wegen des „makabren“ Verhaltens des stellvertretenden Chefredakteurs vom Kölner 'Express'. Die SPD hat eine Sondersitzung des Innenausschusses über das Verhalten der Juornalisten verlangt. Vor den Hauptausschuß des Düsseldorfer Landtages werden die Intendanten des WDR, des NDR und des ZDF geladen. In allen Kritiken von Stoiber (CSU) bis hin zur Deutschen Journalisten Union wird den Medien zweierlei vorgeworfen: 1. Sie hätten durch ihre Anwesenheit Einsatzmöglichkeiten der Polizei verhindert und 2. den „Geiselgangstern“ publizistische Attraktivität verschafft. Schnoor und die NRW –Polizei wirft darüberhinaus den Journalisten noch vor, sie hätten konkret die Strategie des Einsatzes unmöglich gemacht.