Rasen, blitzen, zahlen

■ Pro und Contra zu den Radarfallen auf den Transitstrecken der DDR

Contra:

Es dürfte inzwischen bekannt sein, daß 99 Prozent der Radarfallen in der DDR auf den Transitstrecken aufgestellt werden. Der verbleibende Rest scheint nur als „Feigenblatt“ zu dienen, um dem Vorwurf zu entgehen, die Radarfallen seien extra für Transitreisende aufgestellt.

Wer meint, sie sollten tatsächlich dem Zu-Schnell-Fahren entgegenwirken, irrt! Für die DDR sind die Fallen eine „kapitale“ Devisenquelle! Nicht 100 Stundenkilometer sollen eingehalten werden, sondern die Staatskasse soll ohne Gegenleistung aufgestockt werden.

In keinem anderen Land der Welt müssen Ausländer bei einer Einreise (also nicht im Transit) ihre Verkehrsstrafen in ausländischer Währung begleichen. In der DDR jedoch darf man mit der einheimischen Währung (erstanden durch den Mindestumtausch) die Geldstrafe nicht bezahlen. Wer für einen Tag in die DDR fährt, darf nicht einmal mit dem Mindestumtausch tanken, die Fahrt an die Ostsee zum Beispiel kostet so 25 D-Mark Mindestumtausch pro Person zuzüglich Benzinkosten in D-Mark. Somit schafft die DDR zwei DDR-Mark. Die eine davon (Mindestumtausch) kann nur verfressen oder vertrunken oder für Reisemitbringsel verwendet werden, die andere (bei mehrtägigem Aufenthalt) kann für alles verwendet werden.

Übrigens keines der anderen Ostblockländer macht sowas. In der CSSR und Polen darf selbstverständlich alles mit dem Mindestumtausch in einheimischer Währung bezahlt werden.

Deshalb gilt es, diese Praxis der DDR durch die Veröffentlichung der Fallen entgegenzuwirken! Dabei geht es auf keinem Fall darum, sich gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen auszusprechen, sondern lediglich gegen die Geldschneiderei durch Radarfallen. „Gas geben!“ wünscht die DDR, und da ist diese Veröffentlichung eine Art „antiautoritärer“ Protest.

Achtung!: Die Tabellen sind nur ein Hinweis. Die DDR ist dazu übergegangen, immer wieder neue Stellen für ihre Fallen zu schaffen, die Tabellen bieten auf keinen Fall die Sicherheit, nicht „erwischt“ zu werden.

Roland Ratte

Pro:

Natürlich geht es mir genauso. Nach dem Transit kaum auf der Avus oder der westdeutschen Autobahn angelangt, senkt sich der Fuß befreit aufs Gas. Die Fahrt ist frei im freien Westen. Auch für den alten Käfer.

Noch freier ist sie für denjenigen, dessen Gaspedal den Motor eines BMW, eines Porsche, eines Daimler aufheulen läßt.

Versuchen die, dem alten Käfer mit Lichthupe und dichtem Auffahren seinen Platz auf der Überholspur streitig zu machen, dann ist das zwar ein freier Wettbewerb. Die unsichtbare Hand im Gerangel jedoch, Adam Smith sei es geklagt, schlägt nur zum Schaden der Luft aus, die wir alle atmen müssen.

Daß auf den Transitstrecken dicke Daimler dickere Strafen blechen müssen, ist keine Willkür, sondern ausgleichende Gerechtigkeit - auch für die stolzen Besitzer eines Trabants. Sie schaffen ohnehin kaum mehr als 100. Sollen die Blechprotze von drüben dem Trabbi-Fahrer selbst im eigenen Land noch vorhalten können, wie wenig er unter der Haube hat?

Von den Trabbis sollten wir lernen. Käme keiner mit dem Auto über 100, käme auch keiner in Versuchung. Auf noble Einsicht und edle Motive hat noch jeder zu lange gewartet. Der DDR vorzuwerfen, ihr Motiv für das Tempo-Limit sei pures Eigeninteresse, ist deshalb ebenso moralinsauer wie weltfremd. Hinter welchem selbstlosen Helfer wurde noch kein selbstsüchtiges Helfer-Syndrom entdeckt? Das allein kann die Hilfe nicht abqualifizieren. Es ist eine der wenigen Chancen, die wir haben, wenn von Umweltschmutz beim Geldverdienen gestörte Branchen (Beispiel: Nordseetourismus) gegen die vorgehen, die die Umwelt verschmutzen.

Schützt die DDR aus Geldgier unsere Wälder: um so besser. Auch auf meine Einsicht kann ich mich nur manchmal verlassen. Schafft ein, zwei, viele Radarfallen!

Samuel Schnecke