LABOR FÜR SPASSFORSCHUNG

■ Neuer Kongreß der SoToDo-Gallery

Local heroes, StudentInnen, Alkoholleichen, Punx, AmerikanerInnen, EngländerInnen und Kulturschicksen traten sich auf den Füßen herum. Sie schmierten sich gegenseitig mit Blut voll, tankten Sekt durch Strohhalme, forderten ihr Eintrittsgeld zurück oder johlten nach einer Zugabe. Ohne zu schwanken kippten die KünstlerInnen den Whisky flaschenweise und ließen Bomben explodieren. Lindy Annis breitete ihre Flügel aus und lamentierte wie ein Klageweib, daß sie immer mit den falschen Leuten zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dann verkroch sie sich in ihrem Koffer. Florian Trumbach ließ über seinen buttergeölten Körper einen Sack Blut fließen, das die Hunde begeistert aufleckten. Einer rannte mit dem Kopf gegen einen Eisenpfeiler - die Show fiel an diesem Abend wegen Gehirnerschütterung aus. Manchmal kamen gleich drei Künstler auf einmal und stritten sich, wer an diesem Abend das Programm gestalten durfte, manchmal warteten KünstlerInnen und Publikum Stunden aufeinander und standen sich die Beine in den Bauch.

Da begannen wohl oder übel alle, miteinander zu reden. Genau das war der Plan des Organisators Theodor di Ricco. Den ganzen Juli über tagte die Gallery SoToDo zum Thema „Geld-Staat-Kirche“ viermal wöchentlich in drei Bezirken, um Performance-KünstlerInnen neue Auftrittsmöglichkeiten zu bieten und das Kontaktnetz zu erweitern. Als der Spuk vorüber war, atmeten die Agenten auf, die Theodor ihr Büro überlassen hatten, froh, „eeendlich mal 'ne Pause machen“ zu können. Theodor dagegen ist nicht zu bremsen. Er bewahrte im Chaos einen kühlen Kopf, prüfte die KünstlerInnen auf ihren Lärmpegel hin, wählte aus und fragte sie und ihre neugewonnenen Freunde, ob sie das Thema „Fun“ gestalten wollten. Nun sollen die Performances allabendlich 14 Tage lang durch ein Nachtlokal rollen; in konzentrierter Form diesmal nur in Schöneberg, damit die schwarzbepumpsten Damen sich nicht mehr beschweren können, daß sie zum Kulturimbiß bis nach Kreuzberg fahren müssen.

Die Schopenhauers, Lindy Annis, Christian Mazet und 'Professor Pampey Pah's amazing all-electric radio show‘ hatten das Glück, den Lärmschutzbestimmungen zu entsprechen. Weiter sollen PanAm, Air France und Aeroflot die Gäste in dem first-class-Abteil einer Boing747 an einem gepflegten Abend mit Frühstück bewirten. Mr. Bavailler und Aziz Elhad sind für den deutsch-afrikanischen Kulturaustausch zuständig. Aziz trommelte schon durch ganz 36, Mr. Bavailler dagegen ist Spezialist für „die Qualität der Stille und des Langsamen“. Kasperle, der sich sonst immer mit Krokodil und sieben Teufeln in der Hölle herumtreiben mußte, wird nun endlich auf den Mond geschickt, wo ihn Mr. Apollo erwartet. Auch die mysteriösen GoGo-Tänzer aus der Hölle werden dem Fegefeuer entsteigen und dem Kollegen Kuhlbrodt seine ersehnte Sexorgie bescheren. Tim aus Boston will einen Vortrag halten - worüber, das weiß er noch nicht. Aber seine Stimme ist so baßamerikanisch, daß ihm letztens ein Werbeakquisiteur vom Fleck weg ein Angebot machte.

Einer der Besitzer des Lokals schließlich hat seine eigene Vorstellung, wie das Niveau der Ausgehkultur gehoben werden könnte. Die alte Tombola mit echten Losen soll das zur Spielhölle verkommene Glücksspiel retten, ein Space-Bett im Format 2,40mal3 Meter die verschlafenen Wanderer durch die Nacht. Bei diesem Modell handelt es sich um eine Sonderausführung, die dem Standard eines UFOs der Mittelklasse entspricht (also über ein eingebautes Radio mit AFN-Empfang und Lesebeleuchtung verfügt).

Theodor di Ricco denkt wieder weiter. Von den ständigen Urlaubsdiavorträgen in deutschen WGs animiert, wird er zum ersten Mal nach Griechenland fahren, dann nach Amerika fliegen und sich um SoToDo in Sacramento kümmern, bevor er im nächsten Jahr nach Berlin zurückkommt. Das Wichtigste ist ihm aber, das finanzielle Loch ohne Denkarbeit stopfen zu können. Ihm schwebt da der Job des Kassierers in einem 'drive-in supermarket‘ vor.

Claudia Wahjudi

Gallery SoToDo: Fun. Fisch-Labor, Frankenstraße 13, 1/30. Bis 4.September täglich jeweils 21 oder 23 Uhr. Manchmal Eintritt. Die Gallery SoToDo nimmt B-Filme entgegen, um sie während der Veranstaltungsreihe zu zeigen.