Hully-Gully in Smörrebröd-Town

American Football und ein schwedischer Autokonzern gehen eine geschäfliche Ehe ein Nach Coca-Cola und dem Hamburger soll nun die Top-Sportart der USA die Welt erobern  ■  Aus Göteborg Theo Breiding

Die Kolosse des American Football, die ansonsten um Raumgewinn von oft nur Zentimetern wie die Teufel streiten, haben die Dimension gewechselt. Global ist angesagt! Wo bislang die Yard-Linien auf dem Spielfeld die Etappenziele absteckten, tun dies nun die Längen- und Breitengrade auf der Weltkugel.

Zu diesem Zweck hat der Verband der 28 Profiteams, die NFL, am vergangenen Wochenende in Göteborg geheiratet. Die Mitgift der National Football League: Gut eine Milliarde Dollar Jahresumsatz. Strahlender Bräutigam war Onkel Volvo, ein alter Hase in Sachen Sponsoring im Spitzensport. Die Firma mit dem Sicherheitsimage hat damit schon 1972 angefangen - und schwört seither darauf. Der Absatz wurde mehr als verdoppelt. Kein Wunder: Allein aufgrund der Präsenz im Tenniszirkus wird der Firmenname 1,5Milliarden mal pro Jahr weltweit in den Medien erwähnt.

Testmarkt England meldet guten Umsatz

Die Schweden sind mit sicherem Gespür eingestiegen, als sie nun zwei Mannschaften der NFL zum ersten Mal überhaupt ins kontinentale Europa holten. Der Testmarkt England, wo die sogenannte Wembley Bowl gerade zum dritten Mal veranstaltet wurde, hat sich nämlich prächtig entwickelt. Mittlerweile sitzen regelmäßig um die drei Millionen Briten vor den Bildschirmen, wenn die Schränke jenseits des Atlantiks nach dem Ei jagen. Und der Umsatz von merchandising products wie T- und Sweat-Shirts, Sonnenbrillen, Sticker, Buttons und der Broschüre „How to watch American football“ hat sich von 200.000 Dollar im Jahre '85 bis heute mehr als verzehnfacht: 2,5 Millionen Dollar sollen es 1988 sein. Skol!

Zwei Jumbojets hat der schwedische Autohersteller das große Wasser überqueren lassen, um uns Resteuropäern seine Braut vorzustellen. An Bord: die Minnesota Vikings und die Chicago Bears, inclusive der Familien, einer 150köpfigen Highschoolband aus Hibbing/Minnesota, und den Cheerleaders das sind die dezent geschminkten Mädels, die so lustig hopsen und die Glitzerbüschel schwenken, wenn auf dem Spielfeld gerade nichts los ist, weil im Fernsehen wieder Werbung reingeschnitten wird.

Mit von der Partie sind, selbstverständlich, auch der General Manager der Vikings, Mike Lynn, und Bears-Päsident Michael B. McCaskey. Eigentlich sind die beiden Herren eher Konkurrenten: Ihre Teams gehören zu den Besten der Besten, und streiten am Ende der Saison regelmäßig um die begehrten Play-Off-Plätze. In Göteborg jedoch waren sie - als Braut ein Herz und eine Seele.

Höflich ließen sie sich vom europäischen Bemühen berichten, selbst ein bißchen Football zu spielen, doch rasch wandten sie sich wieder wesentlichen Dingen zu: den Plänen der Jungvermählten.

Der Rest des Kontinents soll 1989 sehen dürfen, was für ein Spitzenprodukt das Paar NFL-Volvo zu bieten hat. Die Bundesrepublik steht dabei in der ersten Reihe, gerüchteweise darf am 12.August mit der Begegnung Kansas City Chiefs gegen New Orleans Saints im Düsseldorfer Rheinstadion gerechnet werden. Zugabe: ein Trainingscamp der Vikinks in Stuttgart. Und 1990 oder '91, so hofft das Ehepaar, wird in Moskau oder Leningrad einer zum Besten gegeben; die Planung für Australien ist in vollem Gange.

Walt Disney als Vorbild

Sowohl McCaskey als auch Lynn sind große Bewunderer Walt Disneys: die Vermarktung von Mickey Mouse, Donald Duck und Goofy hat Eindruck hinterlassen. Und so sieht der Traum der Football-Macher aus: 500 Millionen Chinesen tragen ein NFL-T -Shirt; dann wären sie geschäftlich ein ganzes Stück weiter. Dabei ist es günstig, daß die Braut schon Kinder hat: die 28 NFL-Teams. Und da die NFL die Vermarktung über Lizenzen regelt, ist es egal, ob das Emblem der Miami Dolphins oder der San Francisco 49'ers auf einer Chinesenbrust prangt - verdienen würden alle daran. Bedauerlich finden die kühnen Denker lediglich, daß sie die Punktspiele der Liga heute noch nicht über den ganzen Globus verteilen können. Wenn Überschallflüge für Passagiere erst alltäglich sind, soll es soweit sein.

Für das, was eine ganze Woche lang in Göteborg los war, sprang der Korrespondent der 'New York Times‘ hilfreich mit dem japanischen Wort marugakae bei, totale Umarmung (Zudem wunderte er sich, daß bei jedem seiner Interviews mit dem schwedischen Ministerpräsidenten der Volvo-Boss dabei stand). Marugakae trifft auch deshalb so gut, weil es ja nur selten unangenehm ist, umarmt zu werden. Beispielsweise an jenem Barbequeabend, als die Eltern der Hibbinger Highschoolband zeigten - die uniform-blauen Jacken mit einem Band Parent bestickt -, daß „Blaue-Bock-Stimmung“ kein ausschießlich deutsches Phänomen ist.

Sogar das Testgelände des Autoherstellers erschloß sich dem amerikanischen Tross. Normalerweise werden hier Besucher mit Hilfe von Hubschraubern ferngehalten, doch diesmal drehten CBS und NBC fleißig mit. Schließlich wurde vorgeführt, was man versäumt, wenn man einfach nur Auto fährt. Ein Weltrekord im Fahren auf zwei Rädern, ein ordentlicher Crash -Test (Guckt mal, alle Türen gehen noch auf), und eine nichtendende Folge von Wendekunststückchen sorgten für gute Laune. Ihren Höhepunkt erreichte die Stimmung dann bei einer üppigen Air-Show der schwedischen Luftwaffe.

Solcherart in Laune gebracht, beliebten die Gäste im Anschluß dann locker zu plaudern. Steve Jordan, einer der besten Empfänger von Kurzpässen: „Das erste, was man hört, wenn man als Spieler mit einem NFL-Team in Kontakt tritt, ist, daß man einer Firma beitritt, keinem Sportverein.“ Und: „You're not payed to play, you're payed to win.“

Umjubelte Crashs

Wenn Herr Jordan und seine Kollegen auf dem Spielfeld in Aktion treten, läßt sich das in etwa so vorstellen: Man steht an einer Kreuzung, auf der in Minutenabständen jeweils zwanzig Dreißigtonner ineinanderrasen (Während man bei den Europäern überwiedend den Eindruck hat, es komme ab und zu mal jemand mit dem Handwagen vorbei). Keiner der Herren, ob 135 fettlose Kilo schwer oder nur gut die Hälfte, benötigt von hier bis zum nächsten Zigarettenautomaten mehr als sechs Sekunden. Angesichts der höchstens zehnsekündigen Massenkarambolagen - dazwischen immer wieder großer Kriegsrat: wie kann man dem Gegner beim nächsten Spielzug am besten etwas vormachen? - drohten 33.000 Zuschauer auszuflippen. Unter frenetischem Gebrüll gab im Ullevi -Stadion eine mexikanische Welle die andere, obwohl, großzügig geschätzt, vielleicht ganze 50 Leute wußten, worum es auf dem Spielfeld ging.

Macht nichts. In ihrem ersten Heimspiel seit 200 Jahren, wie es in der Presseinformation so schön hieß, legten die Vikings per touchdown gleich 7 Punkte vor. Die Bären glichen umgehend aus. Wieder gingen die Vikings in Führung, wieder folgte der Ausgleich. Noch einmal gab es dieses Spielchen im 3. Viertel, doch der letzte touchdown blieb ohne Antwort aus Chicago: 28:21 für die Vikings.

Nach dem Spiel dann Zufriedenheit rundum. Die Teams waren von der Resonanz angetan, die schwedischen Freunde strahlten. Den 30 Millionen Zuschauern, die das Spiel live in den USA verfolgten, war in der Halbzeitpause nicht vorenthalten worden, welche Bombenstimmung vor allem auf dem Testgelände geherrscht hatte. Als Werbung geschaltet hätte das gut und gerne 10 Millionen Dollar gekostet. Skol!