„Jetzt muß ich aber temperamentvoll werden“

■ Eberhard Diepgen diskutierte letzte Woche mit SchülerInnen über Rechtsextremismus in der Jungen Union: „Kein wirkliches Problem“ / Des Regierenden „liberale Großstadtpartei“ setzt auf die „Kreativität“ ihres Jugendverbands

Der Regierende Diepgen holte tief Luft, fuchtelte mit geballter Faust in der Luft und hob mit lauter Stimme zu sprechen an: „Jetzt muß ich aber mal temperamentvoll werden.“ Um seine Empörung lautmalerisch zu unterlegen, haute der Christdemokrat mit fünf Fingern flach auf den Tisch.

Der Adrenalinspiegel des Konservativen war sprunghaft angestiegen, als ihn in der vergangenen Woche 14 Schüler des Askanischen Gymnasiums zwei Unterrichtsstunden lang in die Mangel nahmen. Das Thema: Rechtsextremismus in der Jungen Union. Diepgen äußerte sich hier zum ersten Mal seit den neuen, durch die taz erhobenen Vorwürfe zu den skandalösen Vorgängen in der Nachwuchsorganisation.

Wer allerdings auf ein öffentliches Machtwort des Parteivorsitzenden hoffte, wurde enttäuscht. „Ich glaube nicht, das Rechtsextremismus ein wirkliches Problem in der JU darstellt!“ säuselte er und fuhr im aalglatten Rhetorik -für-Anfänger-Stil fort: „Über alle Maßnahmen eines Jugendverbandes kann ein Landesvorsitzender einer Partei nie glücklich sein. Dann würden die Jugendverbände aber auch die notwendige Kreativität verlieren, die sie immer noch brauchen, wenn sie immer nur das machen würden, was wohlgefällig von der Landesspitze honoriert wird.“ Der Meister des Konjunktivs gab sich gelassen. Die Schüler der zwölften Jahrgangsstufe ließen indes nicht locker, führten einen rechtsextremen „Einzelfall“ (O-Ton Diepgen) nach dem anderen an. Dermaßen bedrängt kam Diepgen ins Rotieren. Die Partei werde sich „im Zweifelsfall, ich wiederhole, im Zweifelsfall, von solchen Leuten trennen! Das ist meine Linie!“ Fünf Minuten später gab der CDU-Landesvorsitzende schon wieder eine andere Linie raus. Mit wechselhaftem Unterton formulierte er: „Also ich les‘ ja immer die Berichte, die's da gibt (genervt). Nun woll'n wa das ma auch nich übatreim (jovial). Daß wir achtgeben müssen in allen Bereichen, das ist klar (bemüht überzeugend), und daß wir nicht nur nach links achtgeben müssen, sondern auch nach rechts, das ist auch klar (vertrauensvoll). Und das tun wir (schnaubend)! Und das tun wir - aber nicht dadurch, das wir jemandem, der mal (Pause) ne dumme Formulierung gebraucht hat, nun gleich in einer Form diskriminieren, daß er gar keinen Ausweg mehr hat, als in obskure Organisationen heineinzurutschen, weil er keinen Ausweg mehr hat (sozialpädagogisch).“

Ob nun in der JU hart durchgegriffen oder erst behutsam diskutiert werden soll - Diepgen war mit sich nicht einig. Und dann das Resumee: „Die Berliner CDU ist vom ganzen Selbstverständnis her eine liberale Großstadtpartei!“ Der Vorwurf, die CDU schiele an den rechten Wählerrand und drücke deshalb beide Augen zu, wenn JUler das Horst-Wessel -Lied singen, sei aus der Luft gegriffen. Auf die Frage, ob er denn nun den offenenen Brief des SPD-Chefs Momper beantworten wolle (Momper hatte Diepgen aufgefordert, in der JU aufzuräumen), reagierte der Regierende arrogant: „Ich kann doch nicht jeden Brief beantworten, den ich bekomme.“ Diepgen kündigte an, daß Momper möglicherweise ein Rückschreiben von einem seiner CDU-Hiwis erhalten werde.

Gestern zogen die Schüler des Kurses „Politische Weltkunde“ mit ihrem Lehrer Bilanz. Das Gefühl, Diepgen „gepackt“ zu haben, hatte keiner. Ein Teilnehmer der Diskussion, die vom SFB in Auszügen gesendet wurde, zur taz: „Natürlich kann man den nicht vom Gegenteil überzeugen oder so in Bedrängnis bringen, daß er was zugeben muß. Aber als Erfahrung für uns war das schon okay.“

Die Luft blieb Diepgen eher bei einem anderen Thema weg. Auf die Frage Diepgens, warum die Schüler denn nichts über die „Deutschlandpolitik“ des Senats wissen wollten, bemerkte ein Pennäler flapsig: „Dabei hätten Sie doch bloß die üblichen Sprüche abgelassen!“

CC Malzahn