Patriarchat-betr.: Ulrike Heider, "Protestbewegung und Sexrevolte", taz vom 13.8.88

betr.: Ulrike Heider, „Protestbewegung und Sexrevolte“, taz vom 13.8.88

Ulrike, Autorität und Familie ist aber nicht dasselbe, auch wenn „man“ nach der Studentenbewegung in Tradition der Frankfurter Schule aus Trägheit so zu denken beliebt.

Angesichts deiner ansonsten so guten Beschreibug der 68iger Kulturrevolution, ihrer Vorgeschichte und Folgezeit bin ich erstaunt, daß du nicht auch mit diesem Irrtum aufräumst. (...)

Wenn du die restaurative Bedeutung des Feminismus und der Psychoszene erklärst, dann läge doch auch der nächste Schritt nahe, deren Patriarchatsanalyse der Gesellschaft als einen Irrtum zu erklären. Das auf bestimmten familiären Verbindungen beruhende Patriarchat ist ja längst nicht mehr, und hat über die totalitäre Umbruchzeit des Dritten Reichs dem Wohlfahrtsstaat der einsamen Yuppie-Masse Platz gemacht.

Wilhelm Reich hat die Nazis nicht als sittenstreng und patriarchalisch beschrieben, sondern festgestellt, daß die Nazis mit ihrer totalitären Pädogogik und den Massenorganisationen die gewachsene gesellschaftliche Struktur der Familie und der Kirche zerstören. Die bei den heutigen Antifaschisten so beliebte Gleichsetzung von Faschismus, Patriarchat, Obrigkeitshörigkeit, Autorität und Familie ist ein Irrtum, den die Frankfurter Schule in die Welt gesetzt hat, zu welcher W. Reich aber nicht gehörte. Patriarchalische Autorität und faschistische Obrigkeitshörigkeit sind ebenso ein Gegensatz, wie totalitärer Staat und Familie.

Gewiß haben die Nazis die Kleinfamilie propagiert, aber warum? Damit sie sich besser verwalten läßt! Nach ihrer familienfeindlichen Politik sollte die unflexible und unmobile Großfamilie abgelöst werden und dem Staat einen Machtzuwachs bringen, indem Versorgungsaufgaben und soziale Macht auf diesen übertragen wurden. Die sogenannte Kleinfamilie ist ebensowenig Familie, wie die heutige Halbfamilie. Sie ist bereits entwurzelt aus den stabilen Bindungen der eigentlichen Familie, die man nachträglich Großfamilie nannte (wahrscheinlich um den Zustand der Kleinfamilie zu beschönigen). Die Propagierung der Kleinfamilie wird von den Linken oft falsch interpretiert als Konservatismus. Das Gegenteil ist der Fall: die moderne Kleinfamilie bewirkte die Abkehr von Sippe, Dorf und Kriche hin zu Isolation, Kinderlosigkeit, Egoismus und sozialer Instabilität. Die Sozialpolitik der Nazis war also nicht patriarchalisch, urgermanisch und so, sondern progressiv, wirtschaftlich effektiv und förderte die Macht der Verwaltung, des Staates. (...)

Herrmann; Osnabrück