Zwiespältige Freude

■ Ulla Penselin ist frei, gefahndet wird weiter

Es besteht Grund zur Freude: Ulla Penselin ist draußen. Sich jetzt erleichtert zurückzulehnen, ein zufriedenes „Siehste, der Rechtsstaat funktioniert doch“ rauszulassen - dazu gibt es allerdings keinen Anlaß. Und das nicht nur, weil es nie einen plausiblen Grund gab, Ulla Penselin zu inhaftieren, und weil Ingrid Strobl immer noch unter den Haftbedingungen des §129a in München einsitzt.

Die Begründung für die Aufhebung des Haftbefehls dokumentiert, daß in politischen Strafverfahren die Umkehr der Beweislast bereits zur richterlichen Routine gehört. Die Bundesanwaltschaft braucht sich um die Dürftigkeit ihrer als „Beweis“ vorgelegten Indizien keine Sorgen zu machen - es ist Aufgabe der Angeklagten, Fakten zu präsentieren, die sie entlasten. Und für ein Dreivierteljahr Haft und damit eine ganz gehörige Portion Einschüchterung und persönliche Nachteile sind auch so haltlose und fragwürdige Konstruktionen wie die bei Ulla Penselin konstruierte „Kontaktschuld“ gut.

Noch ein Aspekt verdient Beachtung: Mit der Aufhebung des Haftbefehls wird anerkannt, daß ihre Treffen in Telgte, Osnabrück und Hamburg keineswegs konspirativ waren und der Vorbereitung von Anschlägen dienten. Die Konsequenz daraus muß sein, die vier anderen, derzeit nicht vollziehbaren Haftbefehle, die sich im wesentlichen auf dieselben Treffen beziehen, auszusetzen und den gesuchten Personen die Rückkehr in die Legalität zu ermöglichen.

Oliver Tolmein