Für Frieden - oder nur für Jobs

■ MBB-Gewerkschafter diskutierten über Daimler-Fusion / Armin Stolle an der Basis der SPD / Betriebsrat Ladewig: Keine Alternative zur Rüstungsproduktion / Angst um die Arbeitsplätze wegen der „Flurbereinigung“ mit der Daimler-Firma Dornier

Die BremerInnen kennen dieses Werk allenfalls von weitem: Wer

auf den Hügeln von Vegesack spazierengeht, kann die Hangars wie riesige, graue Zelte auf dem niedersächsischen Weserufer liegen sehen. Zivile Flugzeuge, aber auch der Truppentransporter „Transall“ werden dort gewartet. Bei den politischen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen spielen die 1.300 Beschäftigten des Lemwerdener MBB-Werks meist nur eine kleine Geige. Gestern nach Feierabend aber waren sie entschlossen, weitreichende Gedanken untereinander auszutauschen. Rund vierzig Sozialdemokraten diskutierten über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze vor der Fusion MBB -Daimler.

Eingeladen hatte die SPD-Be triebsgruppe des Werks. Karin Schumann, die Vorsitzende des Betriebsrats, leitete die Diskussion. Angesichts der „Elefantenhochzeit“ bekäme sie eine Gänsehaut, sagte sie zur Begrüßung. Wegen diesem Gefühl vielleicht war Armin Stolle unter den geladenen Diskutanten. Von dem Vorsitzenden des Unterbezirks Bremen-Ost der SPD weiß man auch auf dem niedersächsischen Weserufer, daß er in der Bremer Sozialdemokratie den Widerstand gegen die MBB-Daimler-Fusion verkörpert. Sein Brief an Bürgermeister Klaus Wedemeier Ende Juli hat eine Diskussion in der Partei um den Daimler -Einstieg bei MBB ausgelöst.

Seine Diskussionspartner auf dem kleinen „Podium“: Erwin Hilbrink, stellvertretender Gesamtbetriebsrats-Vorsitzender von MBB, und der SPD-MdL Harald Groth. Nicht auf dem Podium, aber angereist, um Gegenposition zu beziehen: Ludwig Ladewig, Betriebsratsvorsitzender des Bremer MBB-Werks. Von ihm ist bekannt, daß er im Widerspruch zu den Positionen seiner Gewerkschaft bereit ist, die Fusion der beiden Rüstungsfirmen mitzutragen.

Armin Stolle, von Beruf Studienrat, eröffnete den Diskurs mit den allervornehmsten Gewerkschaftspositionen: Wenn Daimler sich MBB einverleibt habe, dann werde Wirtschaftsmacht zur politischen Macht. Daimler, verquickt mit der Deutschen Bank, werde dann bestimmen, was an Rüstungsgütern gebaut, verkauft und exportiert werde. Der Einfluß der „öffentlichen Hände“ und der Gewerkschaften auf MBB sei dann dahin. Die Chancen zum schrittweisen Ersatz der Waffenfertigung durch alternative Produkte vertan. Stolle wörtlich: „Mit deutschen Waffen werden in Nah-Ost und Südafika Tod und Elend verbreitet. Und wir sitzen am Fernseher und denken 'nur‘ an unsere Arbeitsplätze. Entschuldigt, daß ich 'nur‘ sage.“

Bei einem kam Stolles Entschuldigung nicht so recht an, bei Ludwig Ladewig: „Es sind die Genossen aus dem öffentlichen Dienst und aus dem universitären Bereich, die so wie du gegen die Rüstungsproduktion diskutieren. Die haben noch nie gespürt, wie die Kollegen im Betrieb Angst um ihre Arbeitsplätze haben.“ Die Sozialdemokraten könnten den Rüstungsarbeitern keine Alternative zur Waffenproduktion bieten. Der Arbeitskreis „Alternative Produktion“, der schon vor Jahren bei MBB in Bremen die Arbeit aufgenommen habe, habe an der Produktpalette des Werks nichts ändern können. „Wenn wir Sozialdemokraten heute die Macht in Bonn übernehmen, dann werden wir in der Rüstungsproduktion den gleichen Kurs wie die jetzige Regierung weiterfahren.“

Ganz ähnlich sah das Erwin Hilbrink, MBB-Gesamtbetriebsrat und seit vielen Jahren auf der „Arbeitnehmerbank“ des Aufsichtsrats: „Was Rüstungsproduktion und Friedenspolitik betrifft, da haben wir als IG Metaller unsere Positionen, die kann man auch nachlesen.“ Als die SPD Anfang der 70er Jahre die Regierung übernommen habe, da hätte er sich Hoffnungen auf einen Wandel in den norddeutschen Flugzeugfabriken gemacht, aber gar nichts habe sich getan. Stolles Zusammenschau von Daimler-Einstieg bei MBB und Friedenspolitik wollte er nicht teilen. Seine Befürchtungen: Wenn der öffentliche und gewerkschaftliche Einfluß auf MBB durch das Daimler-Engagement platt gemacht wird, dann werden bei der „Flurbereinigung“ viele Arbeitsplätze verloren gehen. Konkret: Bei der Daimler-Flugzeugfirma Dornier gebe es „10.000 Arbeitsplätze, aber keine Arbeit“. Wie die 1.300 MitarbeiterInnen in der Luftwerft von Lemwerder von der zukünftigen „Flurbereinung“ betroffen sein werden, darüber konnte gestern nur spekuliert werden. Jedenfalls: Auch bei Dornier werden Flugzeuge gewartet.

mw