Reine Mentalitätsfrage

■ In einem Bremer Haus am Dobben sind 36 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht / Sozialamt bezahlt rund 20.000 Mark Miete im Monat / Viertel-Bürgermeister drängt auf Lösung

Im Augenblick sind 36 große und kleine Menschen in dem ehemaligen Bürgerhaus Am Dobben, mitten in Bremen, zusammengepfercht. Rund 20.000 Mark Miete im Monat kassiert dafür der private Besitzer vom Bremer Sozialamt, drei weitere Häuser dieser Art gehören ihm auch: kein schlechter Schnitt. Das Ganze ist völlig legal: 19,50 Mark gibt es für möblierte Unterkunft pro Tag und Erwachsenen, rund 10 Mark für jedes Kind.

„Wir hatten auch schon mal 55 Leute da untergebracht“, bekennt ebenso freimütig wie hilflos Wolfgang Golinski aus dem Amt für Soziale Dienste gegenüber der taz. Seine schwierige Aufgabe ist es, AsylbewerberInnen vorläufig und nur so lange in Bremen unterzubringen, bis sie ihre Anträge auf politisches Asyl gestellt haben und dann in Zirndorf auf die Bundesländer „umverteilt“ werden. Wegen Personalmangels in der Bremer Innenbehörde dauert die Prozedur in Bremen nicht zwei Wochen, sondern oft drei Monate.

Am Dobben ist das Gedränge groß. Das 'Suträng‘, der Keller also, ehemals den BremerInnen bestenfalls zum Wäschewaschen gut, beherbergt drei Inder. Die anderen zwei Etagen und das Dachgeschoß teilen sich Familien aus Afghanistan und dem Libanon. Sieben Betten stehen dicht an dicht in einem Raum. Auf jedem

Balkon hängt Wäsche. Statt einer Flurlampe ragen Kabelenden aus der Wand. Kochnischen und primitive Wasch- oder Duschmöglichkeiten mit WC sind in den Zimmern und auch separat installiert. Und überall sind Kinder: Sie gucken schüchtern, lachen, spielen im Sand der großen Baustelle vor dem Haus, auf den Treppen, im winzigen Vorgarten. Eine Beiruter Familie mit sechs Kindern lebt in zwei Zimmern.

Erst seit wenigen Tagen gibt es unten im Keller eine einzige Waschmaschine; bislang mußte Frau H. die Wäsche für ihre 8köpfige Familie in einer großen Emailleschüssel auf der Kochplatte waschen. „Dabei ging unser Herd natürlich kaputt“, erklärte gegenüber der taz Hausbesitzer Beißner die Waschmaschinen-Investition.

Der Sprecher des Sozialsenators, Werner Alfke, findet zwar

auch, „acht Leute in zwei Räumen ist viel“, nennt den Zustand aber noch „relativ gut“ angesichts der augenblicklich 350 Asylbewerber in Bremen. „Normal“ sind eher 150. Alfke sieht auch die Lage des Hausbesitzers, dem „die Leute heiße Töpfe auf die Holztische stellen, oder alle zusammen auf dem Teppich statt am Tisch essen“.

Auf eins ist man in der Behörde stolz: Bremen ist das einzige Bun

desland ohne zentrales Sammellager. Behördenaktivitäten: Man „überlegt“, ob nicht die Wohlfahrtsverbände die Flüchtlinge unterbringen und betreuen sollen. Und eine Senatsvorlage für bessere Personalausstattung in der Innenbehörde ist auf dem Dienstweg.

Der Viertel-Bürgermeister Dietrich Heck hat unbürokratischere Ideen. Bei ihm landen die Beschwerden der Nachbarn: daß die Kinder Äpfel von Nachbars Baum klauen, anderen Kindern Spielzeug wegnehmen. „Die haben rein gar nichts“, erklärt Heck, „die verstehen kein Wort, haben keine Beschäftigung und sehen, daß die anderen Kinder solche Schätze haben.“ Heck versucht seit Monaten, öffentliche Gebäude für soziale Projekte vor dem Verkauf zu retten. „Wenn die Stadt den Wohnraum bieten könnte“, rechnet er vor, „könnte man für die Miete spielend eine Betreuung bezahlen, die die Kinder beschäftigt und den Eltern auf Ämtern und im Alltag hilft. Oder eine Spielzeug-Sammelaktion im Viertel macht.“

Am Dobben ist gerade eine Scheibe in der Tür zerbrochen. „Das liegt an der Mentalität, daß die nicht umgehen können mit Material“, erklärt Hausbesitzer Beißner und ersetzt das Glas durch Plastikfolie. „So wird man schlau, aber nicht reich.“ Susanne Paa