Flora, Flora ... Hamburger Polizei-Performance

Hamburgs Innensenator Hackmann besteht darauf: Bis zur Premiere werden das Floragelände und diverse andere Objekte polizeilich bewacht / Für jede Böllerprobe ein Einsatz / Polizeidirektoren auf der Suche nach Bewachungspersonal  ■  Aus Hamburg Gunnar Glock

Ganz „bürgernaher Beamter“ wünscht der Polizist einen „Guten Appetit“. Die anschließende Frage gilt dann aber nicht, wie es die Höflichkeit gebieten würde, dem Geschmack des Verspeisten, sondern dem eigenen Feierabend. „Passiert noch was?“, lautet die Frage an die Volksküchen-BesucherInnen vor Hamburgs zur Zeit umstrittenster Baustelle, jenem riesigen Loch im Schanzenviertel, wo eine Musical-Abspielstätte für 2.000 Besucher entstehen soll. In der Frage schwingt Hoffnung wie auch Unsicherheit mit. Das erhoffte Nein würde bedeuten, endlich einmal wieder einen ruhigen Abend etwa vor dem Fernseher oder auch in der Kneipe verbringen zu können.

Andererseits, und daher die Unsicherheit, kann niemand dem Fragesteller garantieren, daß an diesem Abend nicht irgendein Bewohner des Schanzenviertels ein längst vergessenes Paket China-Böller findet und auf die Idee kommt, dieses ausgerechnet vor der Baustelle auszuprobieren. Und diese Böllerprobe, das weiß der Polizist genau, würde seinen Vorgesetzten reichen, ihn und 30 bis 50 Kollegen in Bewegung zu setzen. Wieder würde er dann desorientiert vor der Baustelle stehen, wüßte wieder einmal nicht, ob das Kommando „Erste Gruppe sammeln!“ von seinem Gruppenführer oder einem der Umstehenden stammt, müßte sich die fachmännische Kritik anhören, daß er und seine grünen Kumpels auf dem besten Wege seien, Hamburgs Performance -Truppe Nummer Eins zu werden. Und davor graut ihm.

Nicht nur die Baustelle wird rund um die Uhr bewacht, auch vor den am Bau beteiligten Firmen sowie vor der „Stella GmbH“ des Musical-Produzenten Fritz Kurz stehen sich Polizisten die Beine in den Bauch. Welche Ausmaße diese mittlerweile zwei Monate währende Polizei-Bewachungs-Aktion hat, weiß - offiziell - nicht einmal der Senat. Eine Anfrage der GAL betreffs Überstunden und Kosten jedenfalls beschied er mit der Antwort, daß sich der betriebene Aufwand „mit vertretbarem Aufwand“ nicht ermitteln lasse.

In der Polizeiführung jedoch, scheint man mehr zu wissen. Denn so ganz ohne Unterfütterung mit dem entsprechenden Zahlenmaterial dürften die dort erarbeiteten Vorschläge, die von der Gewerkschaft der Polizei als „Offenbarungseid“ bezeichnet wurden und auch bei Innensenator Werner Hackmann (SPD) überwiegend auf Ablehnung stießen, nicht zustandegekommen sein. Die Hausaufgabe ihres Senators, „wie der Schutz am Flora-Theater realisiert werden kann, ohne den Sicherheitsstandard in der Stadt einzuschränken“, haben die Polizeidirektoren folgendermaßen gelöst. Durch den Verzicht auf „bürgernahe Beamte“, Polizisten im Jugendschutz, der Zivilfahndung, Verkehrserziehung und Verkehrsüberwachung sollten insgesamt 480 Polizisten frei werden. Weitere Bewachungskapazitäten sollten ein Blasverbot für das Polizeimusikkorps sowie die Einschränkung von Sport und Fortbildungen verschaffen. Unter dem Punkt „sonstige Möglichkeiten“ wurde noch an die Reaktivierung von Pensionären und das Anmieten von Bundesgrenzschutzeinheiten gedacht.

Ob diese Vorschläge nun ernst gemeint waren oder aber als Seitenhieb gegen den Bürgermeister bewußt an die Öffentlichkeit lanciert wurden, für Wirbel haben sie in jedem Fall gesorgt. Der nächtliche Begleitdienst in U- und S -Bahnen wurde eingestellt, und als sich auch am vergangenen Wochenende wieder Fußball-Fans auf den Weg machten, in der Hafenstraße für „Ordnung“ zu sorgen, trafen sie nicht auf Bereitschaftspolizei, sondern auf Bundesgrenzschutz.

Weitere Entlastungen für seine Truppe will Hackmann nicht ausschließen. Für eine echte Entlastung hingegen haben die Musical-Gegner gesorgt. Um den Bauzaun müssen sich die Polizisten keine Gedanken mehr machen, denn der steht nach Aktionen von schwingungstechnisch begabten Rüttlern nicht mehr. Der Neubau aber scheitert zur Zeit am Einspruch einer benachbarten Fuhrunternehmerin. Die betrachtete das Fallen des alten Zaunes mit Wohlgefallen, da er die Ein- und Ausfahrt ihrer LKWs behinderte.

Nachdem 15 Gewerbetreibende den Parkplätzen weichen müssen, haben außerdem über 100 Geschäftsleute per Unterschrift ihre Zweifel am Nutzen des Musical-Projekts für das Viertel zum Ausdruck gebracht. Auch die neue SPD-Landesvorsitzende Traute Müller setzt sich für einen anderen Standort ein. Innensenator Hackmann aber bleibt dabei: „Bewachung bis zur Premiere“.