Töpfer: Brokdorf wieder ans Netz

Bundesumweltminister erwägt Anweisung Brokdorf-Betreiber prüfen Schadensersatz  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Wegen ihrer Weigerung, das AKW Brokdorf wieder ans Netz gehen zu lassen, üben die Bundesregierung und die Betreibergesellschaften auf die Kieler Landesregierung immer stärkeren Druck aus. Bundesumweltminister Töpfer kündigte gestern in München an, notfalls werde er eine Inbetriebnahme des AKWs per Weisung verfügen. Am selben Tag drohte der Mehrheitsaktionär des stillstehenden Reaktors, die „Preussen Elektra“ (Preag), mit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein will aber hart bleiben und auch eine längere Betriebsunterbrechung in Kauf nehmen. Ministerpräsident Björn Engholm erklärte gestern im Anschluß an eine Kabinettssitzung, die Sicherheitsbedenken seien nach wie vor nicht ausgeräumt. Der 1.300-Megawatt-Reaktor soll nicht ans Netz gehen, bis die fehlerhaften Teile im Reaktordruckbehälter sorgfältig überprüft worden sind.

Schadensersatzforderung in Millionenhöhe will die Preag, die 80 Prozent der Anteile am AKW hält, jetzt juristisch überprüfen lassen. Deren Sprecher Rühland erklärte, durch die Weigerung des zuständigen Energie- und Sozialministers Günther Jansen entstünden täglich Mehrkosten von rund 300.000 Mark. Die Haltung Janses sei „unverständlich, willkürlich und unverhältnismäßig“. Eine mögliche Forderungssumme soll sich auf rund fünf Millionen Mark belaufen. Mit Verweis auf eine Stellungnahme von Töpfer erklärte Rühland allerdings: „Wir rechnen damit, daß die positive Stellungnahme aus Bonn auch zu einer entsprechenden positiven Stellungnahme aus Kiel führt“.

Wie berichtet hatte der zuständige Energie- und Sozialminister Jansen am 10. August nach der Rroutineinspektion des Brokdorfer AKWs eine erneute Inbetriebnahme verweigert. In einem Schreiben hatte Jansen unter Bezugnahme auf ein Gutachten des norddeutschen TÜVs wegen vagabundierender Metallteile im Reaktordruckgefäß Sicherheits Fortsetzung auf Seite 2

bedenken angemeldet und vom Bundesumweltminister Stellungnahme und Weisungen erbeten. Den Vermutungen, daß er mit seinem Vorgehen den ersten Schritt zum Ausstieg aus der Atomenergie betreibe, ist der Kieler Minister bislang entgegengetreten.

Reaktorminister Töpfer erklärte gestern in München, er hoffe, daß die Behörden in Schleswig-Holstein von alleine zur Einsicht gelangten. Eine Erörterung in Sachen Brokdorf hat er für Heute in Bonn einberufen. Sollte sich die Kieler Landesregierung anschließend immer noch weigern, dann sei es „selbstverständlich“, daß er eine förmliche Weisung erteile. Bislang liegt den Kieler Behörden nur eine „bundesamtliche Stellungnahme“ vor, in der das Bundesumweltministerium die Bedenken Jansens verwirft. Töpfer erklärte, für ihn habe es „einen so klar abgesteckten Fall wie diesen“ noch nie gegeben. Preag-Mitarbeiter Fabian erklärte gestern, in der Bundesrepublik seien derzeit acht Anlagen in Betrieb, in denen - ähnlich wie in Brokdorf - abgebrochene Zentrierstifte festgestellt worden sind.