Irgendwie tierisch antirassistisch

■ Serge Meynards Film „Die Beduinen von Paris“ hat den „Cesar 1988“ für den besten Erstlingsfilm bekommen. Aber viel gekalauert kann auch daneben sein

Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt. Nicht erst seit dem ollen Rühmann ist dieser Umstand einer der Stoffe, aus denen Kinoträume gemacht werden. Wir kennen sie alle, Tom und Jerry, Laurel and Hardy, Lemmon und Matthau oder Wyatt Earp und Doc Holliday. Alles Männer und natürlich dicke Kumpels, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Und jetzt auch noch Rachid und Denis. Die beiden halten auch zusammen, als hätte sie das Schicksal auf ewig zusammengeschweißt, denn Rachid und Denis sind Ausländer. Und wer in Paris eine Wohnung mieten will, sollte am besten nicht den Hauch einer angeborenen Bräune aufweisen, denn Bimbos und Beduinen haben nun mal bei weißen VermieterInnen null Chancen. Und, es ist wie verhext, auch mit Frauen läuft nicht besonders viel, die stehen wohl nicht auf Ausländer. Was ist zu tun? Erst mal nicht verzweifeln und ein Paar flippiger Freunde losschicken, die eine hüftwippende Prachtperle gehörig anrüpeln. Zum einen will sie's ja wohl so, und zum anderen kann sich Rachid dann als Retter der Bedrängten aufspielen, um hinterher zeigen zu können, daß er immer kann.

So sieht das jedenfalls Serge Meynard, 30. Der Ex-Assistent von Ivory, Brook und Schlöndorff hielt sich mit seinem Erst

lingswerk Die Beduinen von Paris an ein derzeit überaus beliebtes Film-Schema. Gemischtrassige Beziehungen wurden in letzter Zeit häufig aufgearbeitet, Tee im Harem des Archimedes, Mein wunderbarer Waschsalon oder Sammy und Rosy tun es belegen dies. Doch Meynard vermochte sich der arabisch-afrikanischen Konstellation seines Werkes nur kalauernd zu nähern, für eine erzählerische Tiefenschärfe blieb kein Platz. Das ist an sich kein cineastisches Vergehen, Monty Python oder John Landis machen auch nichts anderes. Aber der Ton macht halt die Musik, diese Feststellung ist mindestens so verstaubt wie richtig.

So werden wir Zeuge der urkomischsten Verwicklungen, das orientalisch schwarze Tandem haut sich erst gegenseitig was aufs Maul, dann im Verbund anderen Leuten, aber nein, die sind stärker oder einfach besser, und so laufen die beiden halt eine Weile ziemlich verbeult durchs szenemäßig pittoreske Paris der Wohnungssuchenden. Die Seine-Metropole als Panoptikum der vielen verschiedenen Rassen. Und die wollen alle nur das eine und das andere. Frauen und Wohnungen oder umgekehrt. Natürlich verlieben sich Denis und Rachid in dieselbe Frau, Virginie, die mit dem betörenden Mund. Der hocken sie ständig auf der Pelle, denn sie ist weiß und good-looking und

hat eventuell eine zauberhafte Drei-Zimmer-Wohnung zu vermieten, aber nur vielleicht. Auf jeden Fall fühlt sie sich irgendwie verantwortlich, denn auf die filmhistorische Frage „Warum machst Du das alles?“, die Clint Eastwood immerhin noch mit „Ich hasse Ungerechtigkeiten“ pathosbeladen beantwortete, fällt der kecken Virginie nur das „Ich bin in der Anti-Rassismus-Bewegung“ ein. Oder der brilliante Einfall mit der Bürgschaft der Eltern, die die beiden Hauptakteure zur Erlangung eines neuen Domizils aufweisen müssen. Dem Vermieter ist die ganze Sache viel zu windig, denn: „Was mache ich, wenn die (Eltern) in Algier und Dakar sitzen?“ Ja, was wohl.

Nun ist es keineswegs so, daß Die Beduinen von Paris nicht auch erheiternde Seiten hätte: Eine Neubausiedlung wird jedesmal mit harten Gitarrenriffs und einem unvermitteltem Zerschellen eines Auto-Außenspiegels durch einen Baseballschläger eingeführt. Doch einige nette Einfälle machen noch keinen runden Film. Serge Meynard hat vorher Kurzfilme gedreht, manchmal vier zur gleichen Zeit. Er wird schon gewußt haben, warum. Für ein Kinowerk, das etwas mehr als eine Ansammlung tollpatschiger selbstkritischer Slapstick-Lacher bieten will, muß er halt noch etwas üben.

Jürgen Francke

Schauburg, 21 Uhr.