Delikatessen bei Ohse

■ Seit einer Woche stellt die Galerie Rolf Ohse feine, kleine, delikate Arbeiten von Gabriele Straub aus: Tuschezeichnungen mit dicken Pinselstrichknäueln und Collagen wie Bilder

„Cotes du Rhone, Reserve des Seigneurs de Saint Martin, 75 cl.“

Anstatt auf einer Weinflasche pappt dieses Etikett auf einer Collage aus dem Zyklus „Romanisches Collagebuch“ von Gabriele Straub. In diesem Kunst-Zusammenhang zitiert sich das kleine Stück Papier praktisch selbst, zu offensichtlich allerdings: seiner zweiten Funktion als formales Kompositionselement kann es nicht mehr gerecht werden. Dies ist jedoch ein untypischer (Aus-) Fall in der Collagen und Tuschezeichnung Ausstellung dieser Malerin, die derzeit in der Galerie Ohse gezeigt wird. Collagen

Ursprünglich sind Collagen aus buntem Papier oder anderen Materialien geklebte Bilder. Irritation wird einfach dadurch ausgelöst, daß der Betrachter aus dem Alltag vertraute Dinge wiedererkennt, die sich in einem völlig fremden, als Gestaltungsmittel benutzten Zusammenhang präsentieren. Verwirrung also bewußt angestrebt.

Gabriele Straub aber hat eher ein malerisches Anliegen. Ihr Interesse gilt weniger dem Puzzle-Spiel mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen der verwendeten Materialien, als vielmehr einer homogenen Komposition aus Form, Farbe und Material der einzelnen Bestandteile.

Packpapierbraun

Wie Malschichten liegen Papierschnipsel auf-und nebeneinander. Die Formate sind durchweg klein, die Farben sehr zurückhaltend. Meist bewegen sie sich in den handelsüblichen Papierfarben von reinweiß bis packpapierbraun und sind eher matt als glatt. Vereinzelt eingesetzte blaue oder grüne Flächen wirken geradezu sensationell bunt, und selbst der gemäßigten lachsrosafarbenen Luxusausführung des gemeinen Packpapiers wird in dieser Umgebung das Leuchten beigebracht.

Harmonische Schnipsel

Die abstrakt-geometrischen Bildkompositionen sind in ihrer Organisation häufig von der Mitte her bestimmt: Die stärkste Farbe, die größte Konzentration von Helligkeit bzw. Dunkelheit, die stärkste Verdichtung übereinandergelagerter Papiere sind an zentraler Stelle angesiedelt. Dieser Umstand vor allem, in Verbindung mit der verhaltenen Farbigkeit, ist für den harmonischen Gesamteindruck der Straub-Collagen verantwortlich.

Um darüber hinaus zu sagen, was eigentlich die Besonderheit dieser Arbeiten ausmacht, müßte man vollständig eintauchen in die papiernen „Gemälde“, müßte eingehen auf die Funktion von Linien, die zumeist in Gestalt sacht gerissener Umrisse auftreten, müßte sprechen über die ver schiedenen Oberflächenstruk turen der benutzten Papier Schnipsel und ihre himmelweiten Unterschiede, für die Augen des Betrachters hier zwangsläufig geschärft werden - und kommt schnell an das Ende dessen, was noch beschreibbar ist.

Tuschezeichnungen

Die Tuschezeichnungen machen es einem leichter. Knäuel aus dicken Pinselstrichen und dünnen Linien, mitunter auch lavierte Flächen, lassen durch den gestischen Duktus hindurch sehr wohl Verwandtschaft mit den Collagen erkennen: etwa in den weich verlaufenden Rändern der Pinselstriche oder der Anordnung der durch sie umrissenen Formen.

Im Gegensatz zu der - keineswegs strengen - Konzentration der Collagen verteilen sich die Pinselstriche hier allerdings oft zu gleichmäßig auf dem Blatt. Der Beschränkung auf den spröden Werkstoff Papier, unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die dieses Material hergibt, kann Gabriele Straub die interessanteren Ergebnisse abzugewinnen.

Klein und fein, delikat, wie diese Collagen sind, kann man durchaus behaupten, die Galerie Ohse serviere Delikatessen.

Silke Hennig

19.8. bis 24.9., Galerie Rolf Ohse, Contrescarpe 36, Mo Fr von 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr, sa von 11 bis 13 Uhr, und nach Vereinbarung. Tel.: 327550