Wo liegt die letzte Chance des „Kippenberg“?

■ Gespräch mit drei Schülern, die in der Bürgerschaft beim Protest gegen die Schließung ihres Gymnasiums dabei waren / Elternschaft, Wirtschaft und Schüler für den Erhalt, GesamtschülerInnenvertretung dagegen

taz: Ihr habt dem Bildungssenator in der Bürgerschaft aus Protest gegen die Schließung eurer Oberstufe den Daumen nach unten gewiesen. Soll er wie die Gladiatoren unter dem römischen Imperator Nero den Löwen zum Fraß vergeworfen werden?

Jens Rubrich: Zunächst einmal war mit dieser Aktion nicht die Person Horst-Werner Franke gemeint, sondern seine ganze bildungspolitische Haltung. Dieses „Daumen nach unten halten“ hielten wir in dieser Situation für angebracht, weil das unsere Haltung zu dieser Politik am besten dokumentiert hat.

Björn Strohäcker: Das war einfach eine Mißfallensbekundung, die von der Hausordnung nicht gestattet ist.

Ihr kommt ja angeblich von einer guten Schule, um die Ihr auch kämpft, mit einem guten Geschichtsunterricht. Diese Geste bezieht sich nicht auf eine Ideologie, sondern auf Leben und Tod eines Gladiators. Korrigiert Ihr nicht nachträglich eine Taktlosigkeit?

Jens: Nein, wir waren uns von vornherein darüber bewußt, daß

das eben irgendwann, in einem Zeitraum vor 2000 Jahren, in einem Staat Europas mal als Geste für Tod oder Leben stand. Allerdings hat diese Geste im Laufe der Jahre diese Bedeutung verloren'und das sollte man nicht ausführen. Das war der einzige Angriffs-punkt, den die Leute gehabt haben bei unserer Aktion.

Der Senator hat gestern die Schulpolitik rhetorisch gut begründet...

Jens: Erstens hat er die Unwahrheit gesagt, als er von „Gymnasien an der Ecke“ sprach. Ein Schulzentrum an jeder Ecke wird es geben, an dem ein gymnasialer Zweig untergebracht ist. Die sind aber nicht so leistungsfähig wie ein Vollgymnasium. Zweitens: Seine Rede war von den inhaltlichen Gesichtspunkten her schlecht, lediglich durch Gestik und Polemik geprägt. In marktschreierischer Art und Weise hat er uns vor der Bürgerschaft beleidigt. Franke hat wörtlich gesagt: „Ihr könnt doch alle noch am Kippenberg Abitur machen, sofern Ihr es besteht, was, wie ich sehe (mit einem Blick auf unsere Reihen) wohl doch nicht bei allen der Fall

sein wird.“ Natürlich hat uns das in Wallung gebracht, das kam ganz spontan.

Christoph Backes: Seine ganze Argumentation ist irgendwo nicht ganz richtig, wenn er sagt, daß wir jetzt ne Elitebildung haben. Über Jahre hinweg war Kippenberg keine Eliteschule, und jetzt soll es auf einmal eine sein. Dann kann er doch die Stadtteilgrenzen aufheben und sagen: Auf Kippenberg kann jeder kommen. Franke hat ein Elternteil nach der Bürgerschaft getroffen, da hat er gesagt: „Ich weiß gar nicht, was sie haben wollen, wenn ich jetzt dieses bi

linguale Gymnasium mache, dann haben wir eine tolle Eliteschule.“ Herr Franke steht ja sowieso in seinem tiefsten Inneren auf Elite, das sieht man ja auch daran, daß er seine Kinder irgendwo auf andere Schulen schickt und nicht auf seine Schulzentren.

Nicht einmal die Schülerschaft steht doch geschlossen hinter dem Kippenberg. Die Gesamt-SchülerInnen-Vertretung hat erklärt, daß sie die Errichtung des Sek-I Zentrums befürwortet.

Jens: Viele sagen bei der GSV, da die (Kippenberger, d. Red.) sich

damals nicht mit den anderen Schulen solidarisiert haben, solidarisieren wir uns jetzt auch nicht mit denen. Das finde ich eine ganz primitive Einstellung. Es gibt auch eine Reihe von Schulen, die sich jetzt mit uns solidarisiert haben, z.B. das AG oder die Hamburger Straße. Die Schülerschaft des Kippenberg steht auf jeden Fall voll hinter unseren Aktionen, es gibt nur einige inhaltliche Kontroversen, was die Form der Aktionen angeht.

Der Senator hat das Konzept, das nun verabschiedet ist, als die beste aller Varianten angesichts

der Sparzwänge auf der einen und der rückläufigen Schülerzahlen auf der anderen Seite bezeichnet. Habt Ihr ein besseres Konzept?

Jens: Man müßte doch ein Konzept finden können, bei dem jeder die Möglichkeit hat, auf die Schulart zu gehen, auf die er möchte. Das heißt, es soll neben Schulzentren selbstverständlich auch Vollgymnasien geben.

Adler ohne Schwingen

Was ist, wenn die besseren Argumente Euch nichts mehr nützen? Wo ist die letzte Chance des Kippenberg?

Jens: Die liegt in der Elternschaft und in der Wirtschaft. Natürlich wird auch die Schülerschaft mit allen Mitteln kämpfen.

Wie wird die Schulpolitik in Bremen gemacht?

Jens: Das STEP wurde zu dritt gemacht, von Herrn Brückner, von Herrn Franke und von Herrn Dittbrenner. Herr Brückner ist Gesundheitssenator gewesen und hat mit diesem Ressort Bildung überhaupt nichts zu tun. Herr Dittbrenner hat nicht einmal die Prüfung zum Sekretär bestanden, steht ohnehin jenseits von Gut und Böse. In der Bürgerschaft müssen ihm permanent Fremdwörter erklärt werden, gestern z.B., daß Plural auf deutsch Mehrzahl bedeutet. Herr Franke, der dritte im Bunde, ist der Elefant im Porzellanladen. Und Wedemeier steht dadrüber wie ein Adler ohne Schwingen. Das Gespräch führte

Klaus Schloesser & Kirsten Windhor