Vom Farbenmischer zum Chemieriesen

Vor 125 Jahren wurde Bayer gegründet / Kleine Firmengeschichte des Leverkusener Chemiekonzerns / Am Anfang war der Störfall  ■  Von Dita Vogel

Berlin (taz) - Zunächst sollten nur Farbstoffe hergestellt und vertrieben werden. Zu diesem Zweck gründeten am 1.August 1863 der Farbstoffhändler Friedrich Bayer und der Färbermeister Friedrich Westkott die Firma Bayer&Co in Barmen, das heute ein Stadtteil von Wuppertal ist. Schon ein Jahr später war der erste Störfall zu verzeichnen: Das bei der Produktion des Farbstoffs Fuchsin entstehende Arsen gelangte ins Grundwasser und vergiftete die umliegenden Brunnen.

125 Jahre Bayer ist eine Geschichte von Produktionserfolgen, aber auch von Umweltschäden.

In den Jahren nach der Gründung produzierte Bayer zunächst fast ausschließlich künstliche Farbstoffe aus Steinkohlerückständen für die Textilindustrie. Als diese in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in eine Krise geriet, mußten viele Farbstoffabriken schließen. Bayer wurde 1881 Aktiengesellschaft, kaufte in In- und Ausland Beteiligungen ein und erweiterte das Produktionsprogramm mit Pharmaprodukten (Aspirin), Foto- und anderen Chemikalien. 1912 wurde das aus einer Beteiligung stammende Werk Leverkusen zum Hauptsitz.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg war Bayer ein Multi: Von rund 10.000 Beschäftigten arbeiteten 1.000 im Ausland, und 80 Prozent des Umsatzes kamen aus dem Export. Im Ersten Weltkrieg verlor der Multi seine Exportmärkte und stellte auf Kriegsproduktion um. Bayer lieferte Salpetersäure für Munition, 60 Millionen Tonnen Giftgas für den schleichenden Tod im Stellungskrieg und dazu passend auch Atemschutzvorrichtungen für das deutsche Heer.

Nach dem Krieg zahlte sich die vom Vorstandsvorsitzenden Carl Duisberg betriebene Sozialpolitik aus, zum Beispiel der Bau von Werkswohnungen und der Einrichtung von Unterstützungskassen. Während der Nachkriegsunruhen waren die von SPD-Betriebsräten geführten Bayer-Arbeiter loyal gegenüber der patriarchalischen Firmenführung und hielten die Streiks aus dem Werk heraus.

Bayer hatte schon lange mit anderen Unternehmen im Chemiesektor in Kartellen und Interessengemeinschaften zusammengearbeitet. 1925 führte sie Carl Duisberg zur Fusion. Bayer ging als Betriebsgemeinschaft Niederrhein in der neu gegründeten I.G.Farben auf. Die I.G.Farben gab Geld für die NSDAP und wurde später zum Hauptträger der industriellen Ausrüstung für den Zweiten Weltkrieg. Die Werke produzierten das Giftgas für die KZs und beuteten KZ -Häftlinge und Zwangsarbeiter als billigen Ersatz für die deutschen Soldaten aus.

Nach 1945 unterstand die Betriebsgemeinschaft Niederrhein der Kontrolle der britischen Alliierten. Sie ließen Ulrich Haberland, der das Werk schon unter den Nationalsozialisten geleitet hatte, auf seinem Posten. Er wurde auch der erste Vorstandsvorsitzende der 1951 neu gegründeten Bayer AG, nachdem die Alliierten eine Aufspaltung der I.G.Farben in die drei Chemieriesen Bayer, Hoechst und BASF zugelassen hatten.

Bayer begann wieder, Auslandsbeteiligungen zu erwerben zunächst vor allem in den USA und Lateinamerika. Erst die Ölkrise bremste die Expansion des Konzerns. In den 80er Jahren wurden wieder hohe Gewinne erwirtschaftet und im Konzern gehalten: Der Eigenkapitalanteil stieg von 27 Prozent 1982 auf 44 Prozent 1987.

Heute arbeiten rund 164.000 Menschen weltweit bei der Bayer AG und ihren Tochterfirmen, davon 45 Prozent im Ausland. Der Konzern hatte 1987 einen Umsatz von rund 37 Milliarden Mark. Seit 1973 wirbt der Konzern mit dem Slogan „Bayer forscht für den Umweltschutz“. Die im Unternehmen hochgehaltene Forschungstätigkeit wird nicht immer so herausgehoben. So war Bayer an der US-Firma beteiligt, die das im Vietnam -Krieg eingesetzte Entlaubungsmittel „Agent Orange“ entwickelte. Als Marktführer bei Pestiziden produziert und verkauft Bayer auch solche Mittel, die von der Weltgesundheitsorganisation als gefährlich eingestuft sind.

Im November 1986 erregte Bayer mit einem Abwasserstörfall öffentliche Aufmerksamkeit, als in Leverkusen 600 bis 800 Kilogramm Methanol in den Rhein flossen. Doch dieser Fall ist nur einer in einer Reihe von außerplanmäßigen Wasservergiftungen, der nach der Katastrophe bei Sandoz besonders hochgekocht wurde. Allein zwischen 1985 und 1987 sind 30 Störfälle belegt. Schlimmer als die Störfälle ist jedoch die planmäßige Wasserbelastung. Gemessen am zur chemischen Schadstoffverbrennung benötigten Sauerstoffbedarf ist Bayer der größte Abwassereinleiter der Bundesrepublik.