Kultur für die Neustadt

■ Gespräch zwischen den alternativen Ex-Teerhof-Kulturgruppen und dem Senat über neue Kulturwerkstatt / Poker um Kaufpreis für Gebäude Am Deich 68 / 69 geht noch immer weiter

Aus allen Nähten platzte am Mittwoch nachmittag das Konferenzzimmer in der vierten Etage der senatorischen Kulturabteilung in der Pieperstraße. Dorthin waren auf Einladung von Sunke Herlyn, dem Referenten für Breitenkultur, mehr als 30 VertreterInnen von alternativen Kulturgruppen gekommen, um die behördlichen Pläne für eine „Kulturwerkstatt Neustadt“ zu diskutieren.

Konkret geht es um ein an der Neustädter Weserseite gelegenes Gebäude Am Deich 68/69, direkt gegenüber vom Teerhof. In dieses Gebäude soll die „Kultur

werkstatt Neustadt“ umziehen, falls der Eigentümer den Preis nicht noch weiter in die Höhe treibt. Dann müßte doch noch eines der anderen in Frage kommenden Gebäude in Betracht gezogen werden. Zwar ist das Pokern über den Kaufpreis noch nicht zu Ende, aber die Kulturbehörde hat sich bereits konkrete Gedanken über Ausbau, Finanzierung und Betrieb gemacht.

Und so sehen die Pläne aus: Die „Planungswerkstatt“ soll die baulich-organisatorische Betreuung übernehmen und helfen, Drittmittel für den Ausbau einzuwer

ben. Die Bauphase selbst soll ca. drei Jahre dauern.

Dann soll das umgebaute Gebäude einem noch zu gründenden Trägerverein übergeben werden. In der Kulturwerkstatt sollen künstlerische (Theater, Tanz, Bildhauerei, Musik u.a.) und auch handwerkliche Werkstätten eingerichtet werden. Ein attraktives Cafe, Veranstaltungen, Kursangebote und Leseräume sollen das Zentrum zu einem Treffpunkt für die Bremer Kulturszene machen.

Trotz der sich ganz „rund“ anhörenden Pläne wollte bei den

Kultur-Inis keine Begeisterung aufkommen. Sie hatten sich lange Zeit für eine Kulturwerkstatt auf dem Teerhofgelände eingesetzt.

Zur Erinnerung: Seit Dezember sind die Tage der freien Kulturgruppen in der Weserburg gezählt. Damals erfuhren die seit langen Jahren auf der Teerhof-Insel beheimateten Kulturgruppen (Schnürschuh-Theater, Moks-Theater, Musikerini u.v.a.) erst aus der Presse, daß sie für ein neues Museum für Gegenwartskunst die Weserburg verlassen müssen.

Mit dieser Entscheidung des Senats wurde die Kulturwerkstatt, die zunächst ein sogenanntes „Kultur -Drittel“ auf dem Teerhof erhalten sollte, ganz vom Teerhof verdrängt. Den Teerhof-Initiativen wurden gleichwertige Ersatzräume zugesagt, nach denen noch immer gesucht wird. Nach Meinung des senatorischen Referenten haben Teerhof und Kulturwerkstatt nichts miteinander zu tun. Er äußerte gegenüber der taz, es sei ein „Novum, daß der Senat ein Gebäude hat und das der Szene anbiete.“ Bisher habe sich die Szene die Kulturzentren immer erkämpfen müssen. Das sei eine große Chance.

Auf heftige Kritik bei den Gruppen stieß schon die Nutzflä

che. „Das ist doch viel zu wenig Raum für so viele Gruppen“, so die einhellige Meinung. „Ein Selektionsprozeß“ sei schon nötig, räumte der senatorische Referent ein. Außerdem sei eine „Mehrfachbelegung einzelner Werkstätten“ geplant. Wie so etwas funktionieren soll, darauf wußte er allerdings keine überzeugende Antwort.

Kritisiert wurde außerdem, daß von der geringen Nutzfläche sogar noch Räume für Restaurants abgehen sollen. Diese Einnahmen sollen neben öffentlichen Zuschüssen und Drittmitteln den „technisch-organisatorischen Betrieb“ finanzieren.

Einig waren sich alle, daß kein „Verwaltungshochhaus“ für die Bremer Kulturszene entstehen dürfe.

Bernd Scheda, ein Vertreter vom Lagerhaus und der Kulturkooperative, befürchtete, daß mit der „Kulturwerkstatt Neustadt“ ein neues „Vorzeigezentrum“ auf dem Rücken der bestehenden Kulturzentren und -läden entstehen könnte, deren Existenz erst einmal gesichert werden müßte.

Im September will der Senat ein Hearing zum Thema „Kulturwerkstatt Neustadt“ durchführen. Man darf gespannt sein.

Ras