Lissabon nach dem Großbrand

■ Herbe Kritik an der Stadtverwaltung / Krisenstab beschließt erste Hilfsmaßnahmen

Lissabon (dpa/taz) - Nach der schweren Brandkatastrophe in der Lissaboner Altstadt wurden gestern die ersten Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen eingeleitet. Das Krisenkabinett unter der Leitung von Regierungschef Anibal Cavaco Silva beschloß die Gewährung von Vorzugskrediten an die zahlreichen, durch das Feuer ruinierten Geschäftsleute. Die etwa 3.000 evakuierten Einwohner der Altstadtviertel Baixa und Chiado wurden in Hotels und anderen Übergangsquartieren untergebracht.

Die Behörden sorgten für Essen, Kleidung und ein erstes Überbrückungsgeld. Außerdem bekommen die schätzungsweise 2.000 Menschen, die ihre Arbeit verloren, ein spezielles Arbeitslosengeld. Zudem wurde den Geschäftsleuten erlaubt, ihre Waren in den staatlichen Lagerhallen unterzubringen. Die Schäden werden auf 30 bis 40 Milliarden Escudos (rund 500 Millionen Mark) geschätzt. Ein 60jähriger Portugiese wurde getötet und 49 Menschen zum Teil schwer verletzt. Ein Feuerwehrmann mit schweren Verbrennungen schwebt in Lebensgefahr.

Nachdem der Brand gestern morgen nahezu vollständig gelöscht worden war, beginnt die Feuerwehr jetzt mit dem Einreißen der einsturzgefährdeten Fassaden. Das abgesperrte Brandgebiet bietet ein Bild der Verwüstung. Die Straßen sind kniehoch mit Trümmern, verkohlten Balken, rauchgeschwärztem Mobiliar und Asche bedeckt. Polizisten patrouillierten durch die Altstadt, um Plünderungen zu verhindern.

Inwischen leitete die Staatsanwaltschaft Untersuchungen ein, um festzustellen, ob der Brandstiftungsverdacht gegen den Kaufhausbesitzer Grandela gerechtfertigt ist. Grandela hatte sich gestern bei der Polizei eingefunden, um seine Unschuld zu beteuern. Erst vor wenigen Tagen war er wegen Anstiftung zur Brandstiftung aus dem Gefängnis entlassen worden.

Unterdessen wurden in Lissabon massive Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung erhoben. Ihr wird Leichtsinn, Versagen und Fehlplanung bei der Altstadtsanierung vorgeworfen. Ein Architekt beklagte vor Fernsehjournalisten die Ignoranz der Regierung. Seit Jahrzehnten würden die historisch so wertvollen Stadtviertel vernachlässigt. Eine moderne Brandbekämpfung sei unmöglich, weil sämtliche Bedingungen fehlten. Auch müßten derart alte Häuser als vorbeugende Maßnahme regelmäßig überwacht werden. Alle seien heillos veraltet und mittlerweile verfallen. Zudem verhinderten große Betonkübel am Eingang der Fußgängerzone das Durchkommen der Feuerwehren.