Töpfer befiehlt - Brokdorf marschiert

Bundesumweltminister Töpfer weist die Kieler Landesregierung an, das AKW Brokdorf wieder ans Netz zu nehmen / Engholm folgt der Anweisung, erteilt aber Auflagen / Landesregierung hält den Zustand des AKW für unhaltbar / Greenpeace fordert Töpfers Rücktritt  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

Am kommenden Montag soll das Atomkraftwerk Brokdorf wieder ans Netz gehen. Das teilte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm gestern in Kiel mit. Freitag mittag war die Weisung des Bundesumweltministers Klaus Töpfer (CDU) in der Landeshauptstadt Kiel eingetroffen, die Zustimmung zum Wiederanfahren des Atomkraftwerkes zu erteilen. Am Tag zuvor waren Gespräche des Staatssekretärs im Kieler Energieministerium, Claus Möller, mit dem Bundesumweltministerium und dem Betreiber Preußen Elektra gescheitert. Das Bonner Ministerium gab jetzt das Kommando zum Wiederanfahren, „weil dem keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen“, und fügte hinzu, „eine Verweigerung der Zustimmung wäre somit rechtswidrig“.

Schleswig-Holsteins Energieminister Jansen (SPD) hatte Anfang August nach einer Überprüfung des AKW im Rahmen eines Brennelementewechsels die Wiederinbetriebnahme untersagt, weil technische Mängel aufgefallen waren. Einer von 360 Zentrierstiften - die die Brennelemente halten - war zerbrochen. Außerdem waren vier Metallplättchen abgerissen und im Reaktordruckbehälter verschwunden. Drei wurden wiedergefunden, eines fehlt bislang immer noch.

Nach der Weisung aus Bonn erklärte Engholm: „Die Landesregierung wird die Weisung des Bundesumweltministers befolgen und die Zustimmung zur Wiederinbetriebnahme voraussichtlich am Montag aussprechen. Sie wird dafür eine Reihe von Auflagen erteilen.“ Die wichtigste solle die Verpflichtung des Betreibers sein, beim nächsten Wechsel der Brennelemente die erforderliche Ultraschalluntersuchung der Zentrierstifte vorzunehmen und die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß vorhandene Defekte dann auch tatsächlich behoben werden können. Engholm erklärte weiter: „Die Landesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß der augenblicklich in den bundesdeutschen Kernkraftwerken herrschende Zustand - mit über 50 gebrochenen Zentrierstiften ohne die Möglichkeit einer dauerhaft wirksamen Reparatur - unhaltbar ist.“

Greenpeace hat Töpfer in einem offenen Brief zum Rücktritt aufgefordert. Darin heißt es: „Mit Ihrer Entscheidung, das Atomkraftwerk Brokdorf solle wieder ans Netz gehen, zeigen Sie erneut, daß Ihnen die Bedürfnisse der Atomindustrie, Kosten zu sparen, wichtiger sind als die Sicherheit der Bürger, die Belange der Natur und Umwelt. (...)“ Kommentar auf Seite 4