Geiselnehmer schlief - Polizei auch

Anhörung vor Innen- und Rechtsausschuß im nordrhein-westfälischen Landtag / Einsatz in Bremen hätte geringes Risiko bedeutet / Zwei Geiselnehmer waren einkaufen / Dritter Geiselnehmer schlief  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Ein früherer Einsatz der Polizei gegen die Gladbecker Geiselnehmer wäre mit wesentlich geringerem Risiko verbunden gewesen als das Rammanöver auf der Autobahn in Bad Honnef. Dies ist ein Ergebnis der 16stündigen gemeinsamen nichtöffentlichen Beratung des Düsseldorfer Innen- und Rechtsausschusses über die Geiselname. Den Abgeordneten wurde von Polizei und Innenminister Schnoor eine Fülle von Details bekanntgegeben.

Der abwartenden Haltung der Polizei lag nach dem Abhören der Gespräche der Geiselnehmer die Einschätzung zugrunde, daß die Täter, „wenn sie sich lange genug unbeobachtet fühlen, die Geiseln freilassen“. Zu diesem Urteil war die Verhandlungsgruppe der Polizei schon in Gladbeck gelangt. Aus diesem Grunde, so erklärten unisono die Polizeiführung und Innenminister Schnoor, habe man realtiv günstige Eingriffsmöglichkeiten, die alle ein gewisses Risiko für die Geiseln bedeutet hätten, nicht genutzt. Besonders optimal scheint im nachhinein die Situation in Bremen-Vegesack gewesen zu sein. Dort hatten am Mittwoch um 13 Uhr 44 - also vor der Buskaperung - H.J. Rösner und seine Gefährtin M. Löblich das Fluchtfahrzeug verlassen, um einkaufen zu gehen. Zurück blieb allein D.Degowski mit den zwei Geiseln. Die Polizei beobachtete die Szene und hörte gleichzeitig die Gespräche im Wagen ab. Nach Darstellung der Geiseln schlief Degowski bis zur Rückkehr seiner Kumpane gegen 14 Uhr 38 sogar zeitweilig. Seine Pistole hatte er auf die Konsole zwischen den Sitzen gelegt. Das Einschlafen selbst hat die Polizei offenbar nicht bemerkt. Eingegriffen habe man nicht, weil man aufgrund der abgehörten Gespräche glaubte, die Freilassung stünde „unmittelbar bevor“, also ein „Null -Risiko“ für die Geiseln erwartete. Man habe sich im Wagen über die Freilassung unterhalten und beispielsweise gesagt, man wolle das auf dem Land machen. Degowski hat nach Polizeiangaben wörtlich gesagt: „Euch Geiseln tun wir eh nichts an. Wir müssen denen ja Angst machen. Solange wir euch haben, kann uns nichts passieren. Es kann euch höchstens passieren, daß es noch länger dauert“. Zu diesem Zeitpunkt, so die Polizei, hätten sich die Gangster relativ sicher gefühlt. Diese Situation habe sich durch die NDR -Nachrichtensendung abrupt geändert. Dort sei mitgeteilt worden, die Polizei verfolge das Fluchtfahrzeug. Danach, so die Polizei, seien im Wagen ein „aufgeregtes Stimmengewir und hektische Reaktionen festgestellt“ worden.

Die Düsseldorfer Opposition, die mit dem Düsseldorfer Innenministerium übereinstimmt, daß ein direkter Zugriff in der Bank nicht möglich war, hält der Einsatzleitung vor, sich zulange und unflexibel an Vorgabe - „Nullrisiko“ für die Geiseln - geklammert zu haben. CDU-Fraktionsschef Worms bemängelte, daß man alternative Einsatzmöglichkeiten nicht rechtzeitig erwogen habe. Zum Schluß, so FDP-Chef Achim Rohde, habe man ein wesentlich höheres Gefahrenpotential für die Geiseln in Kauf genommen. Für das lange polizeiliche Abwarten macht die Opposition Innenminister Schnoor und dessen Sicherheitspolitik verantwortlich.