Seh'n oder Nichtseh'n

■ „Das Team an sich und die Damen dazu...“: 25 Jahre Aktuelles Sport-Studio

Sechs bis zehn Millionen Zuschauer kleben angeblich jeden Samstag an der Röhre, wenn im aktuellen ZDF-Sport-Studio das Neueste vom Sport in Bild, Ton und Rede-und-Antwort -Interviews berichtet wird. Ich war noch nie unter den Millionen der Getreuen und sollte mich daher hüten, als sportblindes Huhn über eine Institution zu gackern, deren allsamstägliche Rituale mir vorgestern zum ersten Mal begegnet sind. Aber zur 25-Jahr-Jubiläumsfeier wollte ich auch dabei sein. Vielleicht, dachte ich, wird sich mir endlich der Grund für den Erfolg der Sportberichterstattung erschließen? Hat sich natürlich nicht.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen - nach diesem staatstragenden Motto lief diese Jubiläumssendung ab. Und das ist ja schon mal sehr gut, sehr pädagogisch, denn in den Büros des Öffentlichen Dienstes wird, wie man weiß, während der Arbeitszeit gezecht, wenn irgend jemand Geburtstag hat. Nicht so im Sport-Studio: Ein kleines Fingerhütchen Sekt, und ab geht's im Schweinsgalopp in die normale Sendung mit Dieter Kürten: Golf (der muskelverkrampfte Bernhard Langer „hat mit den Löchern schwer gekämpft“); Bundesliga-Spiel -Ausschnitte (Franz Beckenbauer: „Wir ham ein Fußballspiel gesehen, was die Absicht hatte, Tore zu erzielen“); Vorausschau auf das Finnland-BRD-Spiel am Mittwoch: „Des sin‘ Spieler, die wo ich froh bin“ (Bekkenbauer); Gespräch mit Reiner Klimke, Dressurreiter, der „mit drei Mädchen in der Mannschaft“, wie er mehrfach frohlockend wiederholt, „nach Soool fährt“. Und dann die Torwand: Franz Bekkenbauer spielt unentschieden gegen sich: dreimal rein, dreimal daneben. „Sauber, sag ich“, lobt Dieter Kürten händeklatschend und wendet sich kabelwärts an einen unsichtbaren Günther Netzer vom „Anpfiff“ bei RTL-plus: „Netzers Günther, hast du das gesehen?“

Na mensch, wenn einem so viel positive Stimmung widerfährt, das ist schon einen Satz wie diesen wert: „Wir ham den Erfolg der Sendung mit Ignoranz geschafft“. So flüssig hat es aus Wim-Wum-Wendelin Thoelke herausgesprochen, der als Sport-Studio-Moderator „die sieben menschlichsten Jahre auf der Haben-Seite meines Lebens“ verbuchen kann. Doch eigentlich wollte er sagen, man habe in diesem Team immer das „Kästchen-Denken ignoriert“. Jetzt nämlich ist endlich die Zeit gekommen - man kann ja ruhig wieder mal fünfzehn Minuten überziehen -, im Archivalbum zu kramen und wehmütig Bilanz zu ziehen: „Das Team an sich und die Damen dazu, die sich versucht haben“.

„Der ärgste Feind der Frau ist die Frau, das ist heut‘ noch so“, sagt Dieter Kürten zu Carmen Thomas, die mit ihrem „Schalke 05„-Versprecher damals bekanntermaßen von lauter leitenden Frauen aus der Sendung hinausgeworfen worden ist. Und Thoelke, der sich seit Jahren im „Großen Preis“ seine Geistessporen verdient, hat noch etwas Höheres beizusteuern: „Ortega Y Gasset hat ja gesagt, der Sport sei der Bruder der Arbeit. Ich würde hinzufügen: der heitere Bruder der Arbeit.“

Dazu nicken die anderen altgedienten Hasen feierlich. Und die Perspektive für die nächsten 25 Jahre wird auch noch eben festgeklopft: „Das Konzept wird nicht geändert. Sie, die Zuschauer, haben das so gewollt.“

Da muß sich denn wohl auch Günther Jauch, der neue Moderator, fügen und kann mit Beckenbauer sagen: „Ob mit mir oder ohne mir“ - das Sport-Studio bleibt sich nibelungentreu.

Sybille Simon-Zülch