Verkehrt-Planung erfindet Sachzwänge

■ Wie Planer den Bremer Osten verkehrsplanen / Was ein kaputtes Gleis möglich machen soll: eine neue hohe breite Brücke, eine Stadtautobahn, für fünf Millionen Mark Umleitungen und Chaos / Kritische BürgerInnen wollen Straßen-Flächen vermindern

Die Deutsche Bundesbahn muß das Nord-Gleis am Concordia -Tunnel, der über die Schwachhauser Heerstraße führt, instand setzen. Dies nimmt die Bremer Baubehörde zum Anlaß, um große, 10 Jahre lang gehegte Planungen zu realisieren: der Tunnel soll von jetzt 25 auf ganze 32 Meter verbreitert werden. Und wenn schon, so muß jemand in der Baubehörde gedacht haben, an der Brücke gebaut wird, dann könnten geradezu unbemerkt vom fließenden Verkehr rechts und links neben der jetzigen Durchfahrt Pfeiler gebaut und am Schluß praktisch über Nacht - die Träger auf die neuen Stützen „eingefahren“ werden.

Planer denken vor: Wenn schon gebaut wird, sollte man die Brücke auch gleich 4,50 Meter hoch machen - wer weiß, was in den nächsten hundert Jahren passiert. Die Euro-Norm sieht 4,20 Meter Höhe für LKW-Aufbauten vor. Durch einen schützenden Ring von Eisenbahn-Überführungen aus dem vorigen Jahrhundert wird der Schwerlastverkehr derzeit aus der Bremer City herausgehalten - die Brummer würden glatt unter den Brücken stekkenbleiben und müssen auf dem Autobahnring um Bremen herumfahren, um in die Häfen zu gelangen. Wenn der Tunnel modernisiert wäre, könnten die Schwerlaster acht Kilometer sparen und über die Autobahnabfahrt Vahr, durch Schwachhausen und über die Bahnhofs-Hochstraße zu den Häfen donnern.

Die Behörde, die ist klar für

den ÖPNV. Das bedeutet „Öffentlicher Personen -Nahverkehr“, und in jedem Bremen-Plan, Wahl- und Regierungsprogramm der SPD, steht, daß der gefördert gehört. Wenn also die Gleise repariert sind und der Tunnel höher und breiter geworden ist, dann wollen die ÖPNV-orientierten Planer Schilder aufstellen, damit die Schwerlaster nicht dürfen, was sie dann könnten.

Natürlich würde es keinem Planer einleuchten, nur den Tunnel zu verbreitern und die Straße schmal zu lassen. Im Namen des ÖPNV soll es als nächstes der

Schwachhauser Heerstraße ans Leder gehen: Bäume fällen, Vorgärten enteignen, planieren, betonieren. Bus und Bahn in die Mitte, zwei ungestörte Spuren für den privaten „Individual-Verkehr“ rechts und links. Zusätzliches Planungs -Argument: Dafür gibt es Geld aus Bonn.

Da alles zusammen dann doch länger dauert als die Gleis -Reparatur 'über Nacht‘, mußten für drei bis fünf Jahre Bauzeit Umleitungen geplant werden. Fünf Millionen für die dazugehörigen Umbau-Maßnahmen sind schon bewilligt. Für einen Großteil dieser

Bauzeit, beruhigt die Behörde, ist gar keine Vollsperrung der vierspurigen Schwachhauser Heerstraße nötig. Auf je einer Spur pro Richtung kann der Verkehr an der Baustelle vorbeikriechen. Von den täglich 32.000 Autos müßten also nur rund 17.000 durchs Wohngebiet geschleust werden, haben die Experten ausgerechnet. Auf den 'Stern'-Kreisel zu gibt es ganz für den ÖPNV - seit einigen Monaten eine separate Spur, damit Busse an der Autoschlange vorbeiziehen können. Die kommt dann aber weg: Wo sollen 17.000 PKW sonst Schlange stehen?

Sämtliche Busse der fünf Linien 30, 31, 33, 24 und 34, die durch den Concordia-Tunnel fahren, werden über den Stern umgeleitet und dort in den Schlangen stehen müssen.

Das Dilemma zwischen Stadtentwicklung durch Beton und Umweltschutz erfuhr auch ein Mann, der im Roland-Haus an der Schwachhauser Heerstraße wohnt und eingedeckt wird mit Mahnschreiben aus Eva-Maria Lemke-Schultes Umweltressort: Er möge doch, bitte, seinen Vorgarten gestalten und grün verschönen. Das Stadtentwicklungs-Ressort derselben Senatorin betreibt gleichzeitig Enteignung und Ankauf der Vorgärten für Rad- und Gehwege der neuen Schwachhauser Stadtautobahn.

„Unverschämt“ findet der Schwachhauser Ortsamts-Chef Arnold Müller, daß der Beirat zwar die Umleitungsmaßnahmen absegnen sollte, die entscheidenden Umbaupläne zur Stadtautobahn aber nie vorgelegt bekam.

Als am Donnerstag die Schwachhauser SPD-Ortsvereine ihren parteiinternen Protest gegenüber diesen Maßnahmen für den UB -Ost Parteitag am Dienstag ankündigten (vgl. taz 27.8.88), hatte es der oberste Stadtentwicklungs-Planer Dr. Hans -Otto Schulte nicht leicht mit dem Verkehrskonzept seiner Behörde.

Prof. Cornelius Noack aus dem Publikum fand „das einzige Argument der Planer bestürzend: daß der Plan 10 Jahre alt ist und fast vollzogen“. Wenn man fünf

Jahre lang fünf Buslinien durch Chaos und Umleitungen praktisch ausfallen läßt, argumentierte er, dann stiegen die letzen ÖPNV-Fans um aufs Auto: „Das ist in Jahrzehnten nicht wieder aufzuholen!“

Gerd Syben, autoloser Vorsitzender eines Schwachhauser SPD -Ortsvereins, brachte die SPD-interne Kritik auf den Punkt: „Wer Straßen baut, erzeugt Verkehr!“ Anstatt dem Verkehr hoffnungslos hinterherzubetonieren und ihn auf großen Trassen zu bündeln, soll er in der Stadt reduziert werden. Zum Umsteigen, so Syben, gehöre klar ein ausgebauter ÖPNV: „Wenn an jedem Autofahrer, der im Stau steht, sechs Bahnen vorbeifahren, wennn er nicht an jeder Haltestelle 1/2 Stunde warten und vom Endpunkt aus einen Fußmarsch antreten muß, dann steigen die Leute um!“

Der Deutschen Bundesbahn ist es derweil völlig wurscht, wie breit und wie hoch in Bremen der Concordia-Tunnel am Anfang der Schwachhauser Heerstraße ist. Die Eisenbahner wollen und müssen nur eins: das marode Nordgleis für den Intercity -Verkehr reparieren. „Die Bundesbahn selbst hat kein Interesse an einer Aufweitung der Brücke, sie ist jedoch verpflichtet, dies auf Wunsch der Stadt Bremen zu dulden“, schrieb die DB-Direktion im Juni 88 auf Anfrage an die sachkundige Bremer Bürgerinitiative „Keine Stadtautobahn durch Schwachhausen!“ Susanne Paa