FRAUENSCHICKSALE

■ Studiobühne der Den Norske Opera im Hebbeltheater

„Spätsommertag“ von Eberhard Eyser war für die Veranstaltung der MusikTheaterWerkstatt angekündigt, ein „Pychothriller auf der Opernbühne“. Ich hatte mich darauf gefreut und ich war gespannt. Verheißungsvolle Ankündigungen halten jedoch nicht immer das, was sie versprechen, und am wenigsten dann, wenn sie wie hier aufgrund von Krankheit nicht zur Aufführung kommen können. Schade. Statt dessen präsentierte die Studiobühne der Den Norske Opera am Freitag abend im Hebbeltheater außer dem für den zweiten Teil des Abends angekündigten „Miss Donnithorne's Tick“ „Das tiefe Wasser“, ebenfalls von Eyser.

Preisfrage: Was macht eine Frau „mittleren Alters“, die sich vor Sehnsucht nach einem Mann verzehrt? Richtig: Sie setzt sich auf ihr Bett, betrachtet sich gelegentlich im Spiegel, beklagt ihr Leid (singend natürlich) und ... sie strickt. Und dies recht heftig! Sozusagen als „Kontrapunkt“, mit Staccatokoloraturen versehen, zu ihrem sonstigen „Aah aah„-Klage Singsang. Nicht genug, daß sie überhaupt strickt, als Kompensation ihrer Liebesprobleme wahrscheinlich, sie strickt zudem lauter Löcher in ihren Pullover; Symbole ihrer seelischen Löcher, ihrer unerfüllten Persönlichkeit? Wir erinnern uns: Kvinne, so ihr Name, wartet auf ihren Märchenprinzen. Wenn er denn kommt, soll er wahrscheinlich die Löcher stopfen!

Allzu grobe Plattheiten wurden uns zugetragen, und dies zu allem Überfluß auch noch auf musikalischer Ebene: Sie plätscherte so vor sich hin - zeigte sich dann am stärksten (weil vielleicht am ehrlichsten), wenn sie ihrem Hang zum Kitsch freieren Lauf ließ.

Die authentische Geschichte des zweiten Monologs des Abends klingt absurd und bedrückend zugleich: Eine australische Großbürgerstochter wird am Tage ihrer Trauung sitzen gelasen. Sie geht forschen Schrittes nach Hause und schließt sich für den Rest ihres Lebens ein. Wir erleben ihren desolaten Zustand, Jahre nach der geplatzten Hochzeit, immer noch ihr inzwischen verkommenes, durch Spinnweben verdrecktes Brautkleid tragend. Miss D., kraftvoll überzeugend gespielt und vor allem gesungen von Guri Egge, wirbelt auf ihrer überdimensionalen Hochzeitstorte, nach Jahren immer noch wütend und voll von Aggression. Witzig der Einfall der Regie (Ronald Rorvik), das Musikerensemble samt dem Dirigenten auf jener Torte zu plazieren, die den Bühnennebenraum einnimmt.

In sieben atonalen Gesängen vollzieht sich die „Seelenbeschauung“ der Miss D., die Musik gibt sich durchsichtig und wird stark durch rhythmische Strukturen gekennzeichnet (am Schlagzeug vorzüglich: Laila Sjorbotten). Nachdem sich Miss D. letztlich doch den Brautschmuck vom Kopf nimmt, endlädt sich die Musik in eine tonal gefärbte, fast choralartige Schlußsequenz. Ein schönes Beispiel, wie neues Musiktheater auch sein kann: prägnant, witzig und manchmal bedrückend: das Stück des Engländers Peter Maxwell Davies.

Anno Mungen