ISTAF: Das schnelle Flash-Interview

■ Wenn sich Sport-Organisatoren mit den Medien große Mühe machen und dabei übers Ziel hinausschießen / Teil 1

Sportveranstaltungen und die Pressearbeit, das ist ein Kapitel für sich. Das weiß jeder Organisator, das wissen auch die Journalisten. In diesem Bereich gibt es Himmel und Hölle, Paradiese, schwarze Löcher, Topmanagement und totales Versagen. Als Journalist, der täglich auf Informatinen der Aktiven und Verantwortlichen angewiesen ist, weiß man da sehr genau zu unterscheiden. Und abends beim Bier schwelgt man dann in Erinnerungen. Wie war das noch, damals auf dem Fußballplatz in Solingen? Ja richtig, schwaches Gekicke, ein Trainer, der nur brummelt, und ein Ordner, dem das Wort Telefon, um die tollen Neuigkeiten in die Welt zu posaunen, nicht geläufig zu sein scheint. Arme Journaille. Unter diesen Bedingungen arbeiten zu müssen, unglaublich. Aber manchmal gibt es auch Highlights. Die ISTAF (Internationales Stadion-Fest), du liebe Güte, was wurde sich da um uns Schreiberlinge für Sorgen gemacht. Informationen? Bitte gern, bitte gleich. Schon Wochen vor dem Ereignis telefaxten uns die Veranstalter Texte und Ankündigungen ins Haus. Ein Beispiel: „Jetzt endgültig: Ben Johnson, der schnellste Mann der Welt, wird bei der ISTAF starten.“ Daß Johnson im letzten Moment schließlich abspringt, ja, schütteln die Herren Organisatoren ihre schlauen Köpfchen, was können sie denn schon dafür, das hätte niemand vorhersehen können. Was bleibt, ist die Zeitung von gestern, die sich der Teilnahme Johnsons in großen Lettern widmete - Business as usual, das Geschäft mit der Nachricht floriert.

Mit einem neuen Service, da wunderten sich selbst die alten Hasen, überraschten die Organisatoren beim diesjährigen Leichtathletikfest. Kurz nachdem die Sportler ihren Wettkampf beendet hatten, liefen HelferInnen durch den Presseblock und verteilten gelbe Zettel. Das Flash -Interview, ein kurzes Zitat nach dem Wettkampf. Hier einige Beispiele, unkommentiert.

Astapkovic, UdSSR: Hammerwurf, 81,26 m

„Wie es möglich ist, daß ich nicht im Olympiateam bin mit 83,44 m? Ich verlor die drei wichtigsten Wettkämpfe in Sotchi, Znamenski-Memorial und die Meisterschaft in Tallinn. Vielleicht, wenn ich nicht im Oktober eine Blinddarmoperation gehabt hätte, wäre ich in Form.„

Calvin Smith, USA: 100 m Männer, 10,12 Sek.

„Nach dem Start wußte ich, daß ich Probleme habe. Ich versuchte alles zu geben und am Ende klappte es doch. Ob das olympische Finale ein Lauf von zwei Läufern wird, das würde ich nicht sagen. Jeder, der ins olympische Finale kommt, hat seine Chance.„

Ana Quirot, Cuba: 400 m Frauen, 50,27 Sek.

„Ich weiß, ich wäre die Olympia-Goldmedaillen-Anwärterin

-... auch über 400 m und auch über 800 m, aber ich glaube nicht an eine Olympiateilnahme von Cuba. Ich fühle mich mehr als eine 800 Meter-Läuferin und ziehe diese vor.„

Claudia Zaczkiewicz, FRG: 100m Frauen 12,93 Sek.

„Für einen Olympia-Endlaufplatz besteht für mich nur eine geringe Chance. Das schlechteste heute war mein Start. Vor Olympia war das mein letzter Wettkampf.„

Roger Kingdom, GBR: 110 m Hürden Männer, 13,28 Sek.

„Nach einem mißlungenen Jahr mußte ich meine Motivation wiederfinden, weil ich die Weltmeisterschaften im Fernsehen gesehen hatte und ich frustiert war. Aber dann passierte es, daß mein Großvater vor seinem Tode mich wieder ganz oben sehen wollte und Sie wissen, was ich in Seoul möchte.„

Hilda Ramos, Cuba: Diskus Frauen, 66,38 m

„Die Windverhältnisse waren sehr gut, aber der Ring war zu rutschig. Das war mein letzter Wettkampf in dieser Saison...„

Alice Brown, USA: 100 m Frauen, 11,17 Sek.

„Ich bin nur eine Anwärterin für die Olympia -Staffelmannschaft - wir haben sechs sehr gute Sprinter dabei. Wir werden sowieso alle sechs nach Seoul fahren und ich meine, wenn wir nicht so viel die Staffelübergabe trainieren würden, würden wir vielleicht die DDR schlagen können, vielleicht sogar in einer neuen Weltrekordzeit.„

Said Aouita, Marokko: Meile, 3,56 min

„Mein Ziel war es zu gewinnen. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich war hier wirklich nicht gefordert. In Seoul laufe ich 800 und 1.500 Meter.„

Grace Jackson, Jamaica: 200 m Frauen, 22,70 Sek.

„Ich bin sehr müde, aber jetzt weiß ich Bescheid über Seoul. Ich werde dort nur 100 m und 200 m bestreiten. In den 70 Minuten zwischen den 400 m und den 200 m habe ich mich nur ausgeruht und dann nichts anderes gemacht als einen kleinen Aufwärmlauf.„

Helmut Krieger, Polen: Kugelstoßen, 20,79 m

„Dieser überraschende Sieg zeigt, daß ich in guter Form bin, und das will ich auch in Seoul bestätigen. Alle hatten in dem nassen Ring die gleichen Chancen.„

Jose Regalo, Portugal: 5000 m Männer, 13,22 Min.

„Meine Taktik war klar und ist klar, auch für Olympia. Ich lasse die anderen am Anfang spielen und werde mich auf mein schnelles Finish konzentrieren. Ich verwende kein spezielles Rezept im Training dafür - es ist einfach Erfahrungssache.„

Liz McColgan, GRB: 5000 m Frauen, 15,03 Sek.

„Der Anfang war zu langsam - ich erwartete für 3000 m eine Zwischenzeit um 8,50 und eine Endzeit um 14,40. Die Bedingungen waren viel besser als in Brüssel. In Seoul laufe ich die 10.000 m hoffentlich besser als die 5000 m heute in Berlin.„

Danny Harris, USA: 400 m Hürden Männer, 49,29 Sek.

„Selbstverständlich bin ich enttäuscht, daß ich nicht in Seoul bin, aber ich wünsche meinen Kollegen dort alles Gute und ich habe viele sehr gute Jahre vor mir. Heute war es ein hartes Rennen. Für nächstes Jahr ist es mein Ziel, mit 13 Schritten bis zur Achter-Hürde laufen zu können.„

Paula Ivan, Rumänien: 1.500 m Frauen, 4,00 Min.

„Es ist heute schwer zu sagen, was für einen Charakter das olympische Finale haben wird - ob das ein Tempolauf oder ein taktischer Lauf sein wird mit einem schnellen 200-Meter -Endspurt. Der Weltrekord von Kazankinas ist noch ein bißchen weit entfernt - das sind immer noch vier Sekunden, vielleicht im nächsten Jahr.„

Mike Conley, USA: Dreisprung, 17,59 m

„Ich weiß nicht, wie viele Wettkämpfe ich schon mit dem letzten Sprung gewonnen habe. Im Training sprang ich gegen mich selbst, und das hilft mir immer, im letzten Sprung das Beste zu zeigen.„

Sebastian Coe, GBR: 800 m Männer, 1,48 Min.

„Ich brauche diese Rennen nach einer dreiwöchigen Pause. Ich bin enttäuscht. I need these races after three weeks pause. I am NOT (Hervorhebung durch Red.) disappointed.„

Holger Schacht