Eine Diva verabschiedet sich

■ „Die Memoiren der Ida Dolores Kneif“ - Ein Abschiedskonzert

Haak: Frau Kneif, man hat Sie einmal eine Marktschreierin am Grabbeltisch der Musikgeschichte genannt: Weshalb kommen Sie nach so vielen Jahren ausgerechnet in die Stadt zurück, die Sie so unbarmherzig von sich gestoßen hat?

Kneif: Diese Formulierung eines Berliner Kritikers hat mich nicht sehr getroffen. Vielseitigkeit wird bei einer Sängerin heute ja leider nicht mehr vorausgesetzt. Sehen Sie, ich konnte immer mit Recht auf mein Repertoire stolz sein. Ich war mir nicht zu schade für irgendeine Partie. Wissen Sie, diese Unterscheidung zwischen U- und E-Musik ist doch im Grunde nichts anderes als eine dumme Erfindung der Journalisten. Sie fragen mich nach Berlin. Es ist wohl klar, daß man mich hier nicht so wohlwollend aufgenommen hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber die Musikgeschichte ist voll von Leuten, die man verkannt hat... Mozart, der große Adoberdini...

Spärlich: Das war aber ein Zauberkünstler, kein Musiker.

Kneif: Wenn Sie so wollen, aber verkannt ist er trotzdem, bis heute. Mein Vater...

Haak: Frau Kneif, warum hier in Berlin Ihr Abschiedskonzert?

Kneif: Ja, Berlin, das hat zwei eminent wichtige Gründe, zum einen habe ich mir damals gesagt, nach diesem wirklich unglaublichen, ungerechtfertigten Verriß der Berliner Kritik, warum fragt niemand die Menschen, die ihre Karten bezahlen? Denen wird doch über den Mund gefahren, sie lesen da eine Kritik in Ihrer Zeitung und wissen danach nicht mehr, was sie eigentlich gesehen haben. Aber das ist ja mit der Zeit anders geworden, heute ist man kritischer. Ich gebe meinem Berliner Publikum eine zweite Chance. Und dann hat das einen praktischen Grund: Ich kaufe für mein Leben gern Schuhe (lacht). Meine Mutter hat nämlich...

Spärlich: Ja, richtig, auch Richard Wagner hat Unsummen für Garderobe ausgegeben.

Kneif: Erzählen Sie mir nichts über Wagner. Wir sind da unterschiedlicher Meinung. Wagner gehört leider zum geforderten Repertoire. Die Leute wollen das hören, wieso sollte ich also keine Brünhilde geben, es kommt nicht nur auf meinen Geschmack an.

Haak: Ist das in Ihrem Fach nicht auch eine Frage der stimmlichen Entwicklung, wie und wann man anfängt als Heldensopran.

Kneif: Meine wundervolle Gesangslehrerin, Prof. Ruthild Fegenbartd, hat mich früh an Wagner herangeführt. Er hat mir dadurch prinzipiell nicht mehr bedeutet, aber ich hab‘ natürlich unermeßlich viel gelernt vom Studium dieser bombastischen Partien. Nicht, das sind eben zwei völlig verschiedene Dinge, ob Sie etwas lernen beim Studium einer Partie und ob Sie das mögen, was der Mann geschrieben hat. Ich habe die Brünhilde, lassen sie mich überlegen, ja, da erste Mal 1957 in Paderborn gesungen.

Haak: Eine Kollegin, Elisabeth Schwarzkopf, widmet sich seit ihrem Abschied von der Bühne dem begabten Nachwuchs, sie doziert an der renommierten Juliard School of Arts, was haben Sie vor?

Kneif: Unterrichten ist etwas für robustere Menschen, man braucht starke Nerven dafür, Frau Schwarzkopf ist eine zähe Persönlichkeit. Mich hat die Vorstellung zu unterrichten immer gelangweilt. Ich werde nach dem Abschiedskonzert hier in Berlin - im Titel kommt ja bewußt „Memoiren“ vor - viele herrliche Rezepte zu Papier bringen. Ich habe in der ganzen Welt gut gegessen, das habe ich notiert, und jetzt wird daraus mein „Kochbuch zum Mitsingen“. Sie sehen, ich denke noch gar nicht an Ruhestand, ich denke an mein Publikum.

Interview: Wolfram Haak

Spielorte und Termine für „Die Memoiren der Ida Dolores Kneif“:

Premiere: Heute, 19.05 bis 21 Uhr, Radio 100, Potsdamer Str. 131, 1/30. Live-Übertragung UKW 103,4 MHz. Weitere Vorstellungen: Cafe Schalotte, Behaimstr. 22, 1/10, Dienstag, 6.9., bis Samstag, 10.9. Spielraum, Hasenheide 69, 1/61, Montag, 12.9., bis Donnerstag, 15.9., jeweils 21 Uhr. Kartenvorbestelllungen bei Radio 100 Kultur, Telefon 216 40 81.