Gelegenheit macht Diebe oder Schuldenstreichung ist keine Lösung-betr.: "Überleben in der Schuldenkrise", taz vom 20.8.88

oder Schuldenstreichung ist

keine Lösung

betr.: „Überleben in der Schuldenkrise“, taz vom 20.8.88

Trotz der Benennung einiger richtiger Tatsachen verharrt Kurt Zausel in seiner Einleitung beim Zuhören und kommt zu regionalistisch-nationalistisch beschränkten reformistischen Positionen.

Die berechtigten Aversionen gegen die Verelendungs- und Ausbeutungspolitik von IWF und Weltbank werden nicht selten in demagogischer Propaganda von herrschenden Nationalisten, seien sie Bourgeois, Feudalisten oder Bürokraten für die Herstellung eines nationalen Konsenses auf der Grundlage von Klassenzusammenarbeit, Kollaboration und Volksgemeinschaftsideologie genutzt. Radikale antiimperialistische Töne gehören dabei zum billigen gängigen Vokabular und tragen dazu bei, die Bereicherung der ausbeutenden, privilegierten Eliten hinter dem Mantel der Schuldenkrise und der Auflagenpolitik von IWF und Weltbank zu verbergen.

Ihre Regime sind jetzt mit dem Zorn der Massen konfrontiert und es ist nur noch eine Frage der Zeit, daß sie mit den Methoden der parlamentarischen Demokratie, seit jeher nur ein Feigenblatt für die brutale diktatorische Herrschaft des Kapitals und ein Zugeständnis an die Arbeiterbewegung, die Opposition noch unter Kontrolle halten können. Die sogenannte Unabhängigkeit einer Reihe von ehemaligen Kolonien war nichts weiter als eine einmalige Gelegenheit für die herrschenden Cliquen und Kapitalisten sich auf Kosten der verarmenden Bevölkerung zu bereichern. Durch die jetzt verschärft betriebene Öffnung dieser Länder für das ausländische imperialistische Kapital werden selbst die bescheidensten Ansätze einer Souveränität gegenüber dem Imperialismus wieder zunichte gemacht und die Unfähigkeit, ja der historische Bankrott der nationalistischen Eliten offenbar, die ökonomische und politische Krise ihrer und des internationalen Kapitals Herrschaft zu lösen.

Ebenso wie Weltbank und IWF ist auch die UNO ein Instrument des Imperialismus. Das Ergebnis von 40 Jahren UNO-Politik in den ehemaligen Kolonien ist am deutlichsten an der immensen Verschuldung dieser Länder abzulesen, die ein nie dagewesenes Elend erzeugt und täglich mehrere 10.000 Menschen verhungern läßt.

Aufgrund der profitabhängigen Konkurrenz und der daraus resultierenden Zerstörungs- und Markteroberungspläne jeder nationalen Kapitalistenklasse laufen die Vorbereitungen für den Dritten Weltkrieg auf vollen Touren. Der einzige Ausweg für die Menschheit ist die Einheit der internationalen Arbeiterklasse gegen die Kriegspläne jeder Bourgeoisie und der Kampf für ein internationales, sozialistisches Programm, für die entschädigungslose Enteignung der Banken und Konzerne und für den Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten der Welt.

Bodo, GegenBILD/BZ-Stelle,

Berlin 41

Da hat es uns einer dieser selbsternannten Oberlehrer ja wieder einmal gegeben: „Zur Solidarität mit den verschuldeten Ökonomien der Dritten Welt gehört es auch, genau zuzuhören.

Kurt Zausel, warum hörst du denn nicht genau hin? Warum bemühst du dich nicht, die Texte derer zu lesen, die du „verbalradikale Vertreter einer strikt antiimperialistischen Politik“ nennst und denen du ein Nichtkennen oder nicht zur Kenntnis nehmen unterstellst.

Es ist genau das Spektrum der autonomen, sozialrevolutionären und antiimperialistischen Gruppen, die sich nicht einfach hinter der Forderung nach Schuldenstreichung einreihen, und es sind insbesondere Frauen aus diesen Zusammenhängen, die sich mit den Auswirkungen der Verschuldung, vor allem „auf Frauen und Kinder in den städtischen Armenvierteln“ und auf (Frauen -)Flüchtlinge auseinandersetzen. Von dort kommen die Versuche, sich mit ihnen und nicht über sie auseinanderzusetzen. Auch wird in diesen Gruppen „reflektiert, daß die Verschuldungskrise auch die Krise eines Entwicklungsmodells“ der Ökonomien vieler Länder des Trikont ist. Aber das wird nicht „nur ausnahmsweise“ nicht nur dort zur Kenntnis genommen, sondern auch von den Trägergruppen der Gegenkonferenz der IWF- und Weltbanktagung.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Positionen der Trägergruppen der Gegenkonferenz und den „verbalradikalen Vertretern einer strikt antiimperialistischen Politik“ ist aber gerade der, daß die Forderung des kleineren Teils der Trägergruppen sich auf Schuldenstreichung als weitestgehende Forderung reduziert und deren dominierender Teil (Altvater, Hurtienne etc.) zwar auch die Schuldenstreichung fordert, sie aber offen als Voraussetzung zur Installierung und Beschleunigung eines neuen Akkumulationszyklus (Entwicklungsmodel nennen sie das) propagieren und die die Verbalradikalen so nicht übernehmen wollen.

Hier treffen sich die Vorstellungen des Trägerkreises von Schuldenstreichung mit denen des multinationalen Kapitals, welches natürlich auch schon bemerkt hat, daß sich sein „Entwicklungsmodel in der Krise befindet bzw. punktuell gescheitert ist. Natürlich haben auch die Bourgeoisien des Trikont ein Interesse an Schuldenstreichung, denn es sind ihre Schulden. Aber es sind letztendlich nicht sie, die etwas zu fordern haben. Dazu fehlt ihnen die Macht.

Auf der einen Seite fordert das multinationale Kapital mittels seiner Organisationen wie IWF und Weltbank die Strukturierung und Unterordnung der trikontinentalen Ökonomien und Menschen für seine Zwecke, wobei die Erpressung durch Schulden (IWF-Auflagen) der Hebel sind. Im Rahmen dieses Prozesses sollen, wenn er erfolgreich ist, Schulden gestrichen werden, um dann erneut Kredite geben zu können, die ja nichts anderes als Investitionen sind, um dann unter neuen Voraussetzungen mehr Menschen noch totaler dem Diktat des Kapitals unterwerfen zu können.

Auf der anderen Seite dieser Auseinandersetzung stehen die Menschen des Trikont, insbesondere die BewohnerInnen der Slums und Flüchtlinge, die durch ihren vielfältigen Widerstand das Entwicklungsmodell in die Krise brachten, indem sie dafür gesorgt haben, daß die Kredite sich nicht mehr oder immer weniger rentieren. (...)

Aber nicht erst seit gestern hat in autonomen, sozialrevolutionären und antiimperialistischen Zusammenhängen eine Diskussion darüber begonnen, die sich ganz wesentlich von den Positionen des Trägerkreises unterscheidet. Ziel dieser Auseinandersetzungen um einen neuen konkreten Antiimperialismus ist es, die vielfältigen Widerstandsformen als solche (an-)zuerkennen und nach Wegen zu suchen, wie wir von hier aus diese Kämpfe unterstützen und in unsere Kämpfe einbeziehen können. Dabei geht es auch darum, die Rolle der Befreiungsbewegungen in dieser Auseinandersetzung neu zu definieren. Daei stellt sich jedoch Enttäuschung „über die konkrete politische Praxis oppositioneller Gruppen des Trikont“ nicht ein, wie du uns unterstellst, sondern es wird versucht, auf der Grundlage der von dir vermißten Auseinandersetzung „um das zentrale Thema der Besitzverhältnisse“ und das der Abhängigkeit, zu einer sich gegenseitig ergänzenden Praxis zu kommen.

Mir scheint, daß unsere Positionen in der Auseinandersetzung um den IWF-Kongreß durchaus mehr zu bieten hat, als Verbalradikalismus, ganz egal, daß auch der reichlich vorhanden ist. (...)

Zünder Krach, Köln