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Anpfiff am Bosporus

Besuch bei Toni Schumacher in der Türkei  ■  PRESS-SCHLAG

Kü?ük, Yusuf, kü?ük.“ Der blonde Mann auf der Massagebank zeigt auf die kleinere von zwei Balsamflaschen in Masseur Yusufs Hand. Yusuf sagt „tamam“, verzieht seinen Schnurrbart zu einem freundlichen Lachen und macht sich an des Blonden lange Beine. Der Mann auf der Massagebank, Toni Schumacher (34), lacht zurück.

„Hier fühle ich mich wohl“, bekräftigt der neue Torhüter des Istanbuler Erstligisten Fenerbah?e. Zwei Monate ist es her, daß der Ex-Nationalkeeper und Buhmann der Bundesliga von seiner Schalker Strafecke an den Bosporus wechselte. Und was für ein Tausch: sich am Ende der Karriere, weit weg von den beleidigten DFB-Leberwürsten, für immer noch viel Geld (wieviel, ist in der Türkei geheim) vor fußballbegeisterten Menschen noch einmal nach Herzenslust in den Dreck schmeißen zu können. Toni ging es lange nicht mehr so gut.

Seit er vor einigen Jahren bei Jupp Derwalls Ex-Verein Galatasaray vor 40.000 Zuschauern in Istanbul probetrainiert hatte, glaubte er, was ihm türkische Freunde immer wieder gesagt hatten: „Komm zu uns, hier bist du noch einmal König“, erzählt Toni und streckt sich mit zufriedenem Gesicht auf der Massagebank, als wollte er sagen: Du kannst mich mal, DFB.

Die ersten Trainingsspiele mit „Schuhmaha“ waren ausverkauft. „Die Fenerbah?e-Anhänger lieben ihn, vor allem wegen seiner deutschen Tüchtigkeit, aber auch, weil er seine Meinung sagt“, meint Abdülkadir Yücelmann, Sportredakteur bei 'Cumhüriyet‘. Um Schumachers Buch „Anpfiff“ ranken sich in der Türkei, offensichtlich gefördert vom Fenerbah?e -Vorstand, die heroischsten Legenden. In einer Zeitung stand geschrieben, der DFB habe Schumacher ins Irrenhaus stecken wollen.

Sollte Fenerbah?e dank Schumacher und den 14 anderen Neueinkäufen nächstes Jahr Meister werden, woran alle fest glauben, stünde die Romanze Istanbul/Schumacher der Paarung Neapel/Maradona sicherlich in nichts mehr nach. Aber noch ist es nicht so weit. Vergangenes Jahr reichte es für Fenerbah?e nur zu einem 8. Platz, die Trainingsspiele waren bisher mäßig, und allein in Istanbul gibt es drei harte Konkurrenzvereine.

Technisch sind hier viele besser als bei uns“, meint Toni. „Logisch, bei der Hitze muß die Kugel rollen.“ Vielleicht sind die Spieler ja auch so stark ... nein, darüber weiß Toni nichts. Aber Redakteur Yücelmann weiß es: „Und wie hier Captagon geschluckt wird! Das könnte Schumacher ja mal enthüllen.“

Aber Toni möchte dem Besucher lieber etwas ganz anderes über die Türkei mitgeben: „Bei uns hat man ein völlig falsches Bild von der Türkei. Wir glauben, die leben hinterm Mond. Dabei gibt es hier genauso Boutiquen wie in Köln“, erläutert er. Was es in Köln dagegen nicht gibt, ist die Gastfreundschaft gegenüber Fremden: „Für jeden Kunden eine Tasse Tee - das würd‘ doch bei uns keiner machen.“

Gunnar Köhne

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