„Schritt für die Freiheit“

Erste Konferenz der Friedensgruppen aus Ost und West in Osteuropa zu Menschenrechtsfragen / Kommunique mit Appell an Regierungen  ■  Aus Krakau Roland Hofwiler

Mit einer Totengedenkfahrt ins KZ Auschwitz ging am Sonntag die viertägige Friedenskonferenz in Krakau in Polen zu Menschenrechtsfragen zu Ende. In der Kirche zum Heiligen Maximilian Kolbe in Nova Huta hatten über 50 Organisationen aus allen Teilen Europas über aktuelle Fragen der Menschenrechte beraten. Über den Erfolg des ersten Treffens dieser Art in Osteuropa, das von unabhängigen Friedensgruppen einberufen wurde, gehen die Meinungen weit auseinander. Im Abschlußkommunique sind keine bedeutenden neuen Schlüsse enthalten, wie man die Einhaltung der Menschenrechte am besten garantieren könne. In ihm werden die alten Forderungen erneut gestellt: Das Kommunique besteht aus einem Appell an die Regierungen, alles in ihren Kräften stehende zu tun, um die Menschenrechte einzuhalten und internationale Kontrollen zu ermöglichen.

Dieter Esche vom Berliner „Ost-West-Dialog“ faßte seinen Eindruck zusammen: „Es überwogen die Symbole, die Freude darüber, daß man sich überhaupt so ungestört treffen konnte. Doch anstatt inhaltlich weiterzukommen, hielt man sich mit Erklärungen auf.“ Die Streikereignisse in Polen dominierten den Verlauf des Treffens. Solidarnosc-Vertreter unterbrachen unter Jubel und Beifall mehrmals die Plenarsitzungen, um neue Solidaritätsbotschaften aus Schlesien und Danzig zu überbringen. Selbst der Papst übersandte allen „katholischen Teilnehmern“ der Friedenskonferenz seine Grüße.

„Ich möchte den Polen nicht zu nahe treten, aber das ging zu weit“, erklärte ein Teilnehmer aus Schweden, der ungenannt bleiben möchte. Vor allem Vertreter westlicher Friedensgruppen werten es als Skandal, daß Vertreter des amerikanischen Senats und Mitglieder der Thatcher-Regierung als „geladene Vertreter“ auftreten konnten und James Moorhaouse, ein erzkonservativer britischer Abgeordneter des Europa-Parlaments, in den sechsköpfigen Koordinationskreis für eine weiterführende Konferenz gewählt wurde. Aber auch Vertreter der polnischen Friedensbewegung äußerten ihren Unmut. „Wir wurden ausgetrickst, wir sehen unsere unabhängige Friedensarbeit durch diese Regierungsverteter unterlaufen. Wir fordern eine neue Abstimmung“, so Mark Marek aus der „Polnischen Freiheits- und Friedensbewegung“ (WIP) in einer Diskussion vor dem Kirchenhaus - umringt von zwanzig Gleichgesinnten und ebensovielen Solidarnosc -Anhängern. Die Gewerkschafter konterten: „Wie könnt ihr Jungen nur mit der Tradition unseres Arbeitskampfes brechen.? Moorhaouse ist ein alter Unterstützer der polnischen Arbeiterbewegung.“ Aber für die WIP-Leute, die eigentlichen Organisatoren des Treffens, ist er kein Mensch der Basis, ervertritt eine zweifelhafte Thatcher-Politik.

Dennoch wird überwiegend eine positive Bilanz gezogen. Wolfgang Templin von der DDR-Friedensbewegung resümiert: „Trotz aller Ungereimtheiten, einer schwachen Abschlußerklärung, die Konferenz war ein Erfolg. Daß sie überhaupt stattfand, bedeutet viel; und in weiterführenden Treffen kommen die Streitfragen ja wieder auf den Tisch, und dann wird sich zeigen, wie sich die unabhängigen Friedensbewegungen in Ost und West behaupten können.“ Auch der Studentenvertreter aus Alma Ata, der Hauptstadt der Sowjetrepublik Kasachstan, Jean Baissalow, zieht eine positive Bilanz: „So viele verrückte Leute an einem Platz, das ist doch phantastisch. Jede Kritik an undisziplinierten Arbeiten ist fehl am Platz. Man traf sich, sprach sich aus. Das ist ein bedeutenderer Schritt für die Freiheit und den Ausbau der Menschenrechte als alle Deklarationen.“