Ramstein: „Flugzeugträger Amerikas“ in Europa

Nicht erst seit Sonntag ist der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein ein Ort der Superlative. Der größte Militärflughafen Westeuropas beherbergt das Nato -Hauptquartier Europa-Mitte, das Hauptquartier der US -Luftwaffe in Europa und das 86.Taktische Jagdgeschwader. Die Liste der außerdem an diesem Standort in der Westpfalz stationierten Einheiten scheint ohne Ende: Das Combat Operation Intelligence Center, eine an das weltweite US -Kommandosystem Wimex angeschlossene Spionagezentrale, ist in Ramstein beheimatet, ebenso wie die 745.Tactical Intelligence Squadron, die 7.Fliegerdivision, eine Lufttransportdivision oder der Stab der 322.Airlift Division, der den Atomwaffentransport innerhalb Europas koordiniert. Auf einer Fläche von 1.300 Hektar trainieren fast 10.000 Militärs und knapp 1.000 Zivilangestellte für den Ernstfall. Für 75.000 Soldaten in Westeuropa mit etwa 650 Militärmaschinen laufen in Ramstein die Fäden zusammen. Über den Stützpunkt wurden nicht nur die atomaren Mittelstreckenraketen nach Europa geschleust. Er diente ebenso als Drehscheibe für US-Einsätze im Nahen Osten. Als die Amerikaner über dem Dschungel Vietnams die „Freie Welt“ verteidigten, kam der Nachschub aus Europa vornehmlich über Ramstein.

Der vor der Remilitarisierung der Bundesrepublik von deutschen Firmen gebaute Militärflughafen war gerade zwei Jahre in Betrieb, als die Amerikaner 1955 erstmals zum „Tag der offenen Tür“ einluden. Einen gewaltigen Zuschauerboom mit jeweils mehr als 100.000 „Technikbegeisterten“ erlebte die Militärshow, nachdem sie 1973 in „Flugtag“ umbenannt wurde.

Die ebenso regelmäßigen wie erfolglosen Proteste, vor allem der örtlichen (ohnehin tieffluggeschädigten) Bevölkerung gegen die Veranstaltung erlebten ihren Aufschwung zu Hochzeiten der Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre. 1983 sorgten US-Militärpolizisten für Schlagzeilen, als sie mit Brachialgewalt gegen Demonstranten vorgingen, fast 200 von ihnen im Würgegriff oder an den Haaren, mit Hand- und Fußfesseln in eine zum Gefangenensammellager umfunktionierte High-School der Air-Base schleppten. Teile des Publikums standen den „Ordnungskräften in nichts nach. Sie traktierten Flugblattverteiler mit Schlägen, Fußtritten und Steinen.

Die Bedenken der Protestierer gegen die Gefährdung aller Beteiligten wischten Behördenvertreter mit immer gleichen Argumenten zurück. Der Kaiserslauterner Polizeipräsident Ochs nach den Vorfällen von 1983: „Das ist der Preis des Vergnügens.“ Mit brennendem Triebwerk und knapper Not erreichte am 3.Juni 1981 ein US-F-16-Bomber das Flugfeld der Ramstein-Air-Base. Als das RAF-Kommando „Sigurd Debus“ knapp drei Monate später vor der Ramsteiner Militärzentrale eine Bombe hochgehen ließ und dabei 20 Bedienstete des Stützpunktes verletzte, dachten amerikanische Augenzeugen spontan an das Naheliegende: Einen „plane crash“.

G. Rosenkranz/ Berlin