Freispruch im Thälmann-Prozeß

Düsseldorfer Landgericht spricht den der Ermordung des KPD-Führers angeklagten Wolfgang Otto (76) frei / Konkrete Tatbeteiligung konnte nicht nachgewiesen werden / Proteste und Krawall im Gerichtssaal  ■  Aus DÜsseldorf J. Nitschmann

Der wegen Beihilfe an der Ermordung des Kommunistenführers Ernst Thälmann angeklagte SS-Oberscharführer Wolfgang Otto (76) ist am Montag freigesprochen worden.

Nach insgesamt 29 Verhandlungstagen kam die 17.Große Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts in einem Revisionsverfahren zu der Überzeugung, daß die gegen den pensionierten Lehrer Otto vorliegenden Beweise für dessen Beteiligung an der Tötung Thälmanns 1944 im KZ Buchenwald „für einen Schuldspruch nicht ausreichen“. Bereits die Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch für Otto plädiert, weil ihm ein konkreter Tatbeitrag an der Erschießung Thälmanns nicht nachzuweisen sei. Dagegen hatte Rechtsanwalt Hannover als Nebenkläger der in der DDR lebenden Thälmann -Tochter Irma Gabel beantragt, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.

Im Mai 1986 war Otto vorm Landgericht Krefeld wegen Beihilfe zur Ermordung Thälmanns zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte ein Jahr später der Revision der Verteidigung stattgegeben.

Als der Vorsitzende der Düsseldorfer Schwurgerichtskammer, Enno Ledge, am Montag den Freispruch verkündet hatte, kam es im Gerichtssaal zu Tumulten. Eine Gruppe von etwa 20 zumeist jungen Demonstranten überwältigte die völlig überraschten Wachtmeister und stürmte den Gerichtssaal.

Lautstark skandierten sie immer wieder „Nazi-Mörder!“ und „Unrechts-Richter“. Auf den Zuhörerplätzen wurden Transparente mit der Aufschrift „Die Schande der BRD-Justiz: auf dem rechten Auge blind“ entrollt. Einer der Zuhörer rief dem Gericht mit erregter Stimmme zu: „Jeder Hühnerdieb wird höher bestraft als dieser Massenmörder. Schämen Sie sich!“

Die Verhandlung mußte für 25 Minuten unterbrochen werden. Ohne Polizeieinsatz verließen die Demonstranten schließlich den Gerichtssaal. Der Vorsitzende Richter räumte in seiner Urteilsbegründung ein, daß das Ergebnis dieses Prozesses „nicht befriedigend“ sei, „weil weder die Schuld noch die Nichtschuld des Angeklagten bewiesen werden konnten.“

„Starke Bedenken und Zweifel“ meldete die Schwurgerichtskammer an den Aussagen der Zeugen Marian Zgeda und Werner Fricke an, die inzwischen verstorben sind und von denen lediglich frühere Vernehmungsprotokolle zur Verfügung standen. Während der polnische KZ-Häftling Zgeda die Tötung Thälmanns als Augenzeuge miterlebt haben wollte, hatte Fricke ausgesagt, der Angeklagte Otto habe seine Beteiligung an der Exekution ihm gegenüber eingeräumt. Das Gericht stellte bei den Aussagen dieser beiden Zeugen „eine nicht unerhebliche Zahl von Widersprüchen, Unklarheiten und Unwahrheiten“ fest.

Alleine jedoch die Funktion des früheren SS -Oberscharführers Otto als Leiter der Schreibstube in der KZ -Kommandatur reiche nicht aus, um ihm eine konkrete Tatbeteiligung an der Tötung Thälmanns nachzuweisen.

Nebenkläger Heinrich Hannover kündigte noch im Gerichtssaal Revision gegen den Freispruch an. Kommentar auf Seite 4