Boom auf leisen Sohlen

■ Das zehnte Mitglied im CultureClub: Uli Balss, mit guter Musik voll im Trend. Er produziert und vertreibt auf seinem JARO-Label Musik zwischen U und E, jenseits von Hipp und Hopp

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Vom Boom ist erstmal nichts zu bemerken im Büro von Uli Balss und seinem Partner Friedel Muders. Dabei ist seine neueste Produktion gerade dabei, ganz groß herauszukommen: Der Frauenchor des Bulgarischen Rundfunks, „Le Mystere des Voix Bulgares“, wird in den Medien enthusiastisch besprochen. Für den Radio Bremen-Mitschnitt ihres Konzertes in der Bremer Liebfrauenkirche hat Balss sehr günstig die Weltrechte erworben, und alles spricht dafür, daß die Platte A Cathedral Concert nicht nur in Deutschland, sondern auch international ein Verkaufserfolg wird.

Einen „Glücksgriff“ nennt er seinen Coup: Ich denke, wenn man so lange versucht, seriös zu arbeiten, dann kommt es mit der Zeit auch mal, daß etwas so gut klappt.

Daß er seriös arbeitet, betont er immer wieder. In der Jugendzentrum-Bewegung hat Balss seine ersten Konzerte organisiert: Und da haben dann Musiker mich gefragt, ob ich ihnen nicht behilflich sein könnte und noch andere Auftritte vermitteln würde. Dann kamen die ersten Gruppen aus dem Ausland, die hier auch niemanden hatten und mit mir arbeiten wollten. Unser Gewerbe ist ein relativ unseriöses Geschäft, weil es viele Leute gibt, die glauben, damit läßt sich schnell Geld machen, und die die Künstler betrügen. Aber wenn gemerkt wird, daß du ehrlich arbeitest, spricht sich das schnell herum.

Vor etwa zehn Jahren hat Balss seine ersten Konzerte gebucht; nach dem Studium entschied er sich dann, nicht Sozialarbeiter zu werden, stattdessen produzierte er 1981 vom Küchentisch aus - seine erste Platte mit der finnischen Gruppe Piirpaucke. Von den Plattenproduktionen allein könnte er nicht leben, aber durch den Musikverlag und die Tournee-Organisationen erarbeitete er sich eine solide Basis. Nach Jaz

zern wie John Scofield oder Christoph Spendel und ethnologisch beeinflußter Musik veröffentlicht er in den letzten Jahren in der New Impression Serie Platten aus dem Grenzbereich zwischen E-und U-Musik. Dabei hat er eine sehr gute Nase für Trends: Die Celloplatten mit Kompositionen von Charlie Chaplin, Klaviermusik von Erik Satie und zur Tangomode der Bandoneonspieler Luis Di Matteo aus Uruguay kamen genau zur rechten Zeit auf den Markt. Man glaubt ihm, daß er diese Platten produziert hat, ohne auf den Markt zu schielen - weil ihm die Musik gefällt, aber sein Geschmack ist genau in tune mit Tendenzen des heutigen Musikmarkts: Auch die großen Firmen merken jetzt, daß es ein Potential von Leuten gibt, die nicht ständig, wie bei Radio Bremen Vier, Hip-Hop Musik hören wollen, die, wie ich, zwischen dreißig und vierzig sind und früher ganz normale Popmusik mochten, aber jetzt andere Musik hören.

Balss arbeitet mit Künstlern aus Finnland, Uruguay, den USA, und jetzt Bulgarien zusammen, aber was ist mit den einheimischen Talenten? Ich habe kurioserweise fast keine Deutschen in meinem Programm, obwohl ich immer denke, man sollte die deut

schen Musiker unterstützen. Aber es hat mir letzten Endes nicht so gut gefallen, was die gemacht haben. Vom Rock bis zum Jazz gibt es da immer etwas typisch Deutsches, Preußisches, das mich gestört hat, und da ist dann halt nie der Funke gesprungen.

Dem Nimbus der Independent Szene, die vor einigen Jahren noch voller romantischer Begeisterung gefeiert wurde, kann Balss heute nichts mehr abgewinnen: Independent ist Käse! Musik ist Musik, und es gibt bei denen genausolche Ganoven wie in den großen Firmen. Independent steht heute für langweilig und unseriös, deswegen will ich damit auch gar nichts zu tun haben.

Da war wieder das Schlüssel

wort: seriös. Das ist ihm sehr wichtig, und man merkt es auch seinen Produktionen an, daß an ihnen mit großer Sorgfalt und viel Liebe im Detail, etwa der Covergestaltung, gearbeitet wurde. Das Programm ist klein aber fein, mehr als sechs Platten im Jahr will er nicht herausbringen, um genügend Zeit für Aufnahme, Gestaltung und Medienarbeit zu haben. Expandieren will er nur im Vertrieb: Ein zusätztliches Büro in England ist geplant. Also doch ein Boom, aber ein sehr leiser, wohlklingender!

Willy Taub

„Le Mystere Des Voix Bulgares“: Donnerstag, Schauburg. Heute abend, 21 Uhr, auf Radio Bremen 1 in der Sendung „Folklore International“.