The show goes on

■ ARD-Sondersendung nach der Katastrophe in Ramstein, Montag, 29.8., 20.15 Uhr

Meine Mitbewohnerin Karin las einen Krimi und dachte nicht daran, den Fernseher einzuschalten, obwohl ich ihr von dem frechen Auftritt des Rupert Scholz und des NATO -Oberbefehlshabers Calvin in der 'Tagesschau‘ erzählt hatte. O-Ton Calvin: „Flugtage sind viel zu wichtig, als daß wir auf sie verzichten könnten.“ Unbegründet, unkommentiert, streng nachrichtliche Meinungsmache eben. Das hätte mir eine Warnung sein müssen, aber ich hastete mit Wurst- und Käseschnittchen vor die Glotze zur ARD-Sondersendung.

Daß Moderator Dr. Reimer zu Beginn ankündigt, man arbeite noch an der Sendung, läßt auf Aktualität hoffen, denke ich mir und frage mich schon nicht mehr, was der Riesen-ARD -Beamten-Apparat seit 28 Stunden wohl gemacht hat. Es folgt ein Interview mit einem deutschen Notarzt, der die „Vietnamstrategie“ der Amerikaner nach dem Crash kritisiert: keine Versorgung der Verletzten vor Ort, sondern „alles einladen und weg“ vom Kriegsschauplatz. Nach dem (Medizintechnik-) Chaos muß der US-Chefarzt in die Kamera grinsen: „Wir hatten alles im Griff.“ Eine weitere Nachfrage erübrigt sich, hatten die Amis doch den ganzen Tag über souverän erklärt: „No details.“ Das wiederum erklärt die ARD nicht.

Stattdessen darf sich US-Botschafter Richard Burt aussprechen: Die Amis würden alles in Zusammenarbeit mit der bundesdeutschen Regierung regeln, mehr Sicherheit, Kontakt zwischen US-Army und westdeutscher Bevölkerung fördern, noch mehr Sicherheit, blablabla. Den rechtlichen Hintergrund für die Genehmigung von Flugshow kenne er, der US-Statthalter Burt, nicht. Das berüht zwar elementar die Rechte der Besatzer, ARD-offiziell sind sie es nicht, „Freunden“ und „Verbündeten“ vertrauen wir. The show goes on, in Ramstein und auf der öffentlich-rechtlichen Anstaltsbühne.

Scholz darf nun wiederholen, daß er Kunstflüge verboten habe. „Damit es nicht mißverstanden wird“, bittet der Bonner ARD-Korrespondent Kleinmann um Präzision. Am Sonntag auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln sei „es so gelaufen“, wie er sich das vorstelle, antwortet der Verteidigungsminister, „und da hat es ja auch keine Probleme gegeben“ - wenn man nichts berichtet über „Kunstflieger“, die in Nörvenich Aufstiegsverbot hatten und kurzfristig zu „Hochleistungsfliegern“ gemacht wurden. Und die durften dann hoch- und tieffliegen.

Diese bekannte Wahrheit und die Werbung der Deutschen Bundesbahn (DB) für den Sonderzug zum „Schönen Tag“ in Ramstein interessiert die ARD einen Scheißdreck. Den entsprechenden Hinweis einer Hamburger Sozialpsychologin auf die DB würgt der Moderator unwirsch ab. Mühevoll erkämpft sich die Frau das Recht, auszureden und Motivationen für die Faszination des Grauens anzudeuten. In Bonn warten Rupert Scholz und sein Stichwortgeber auf Sendeminuten. Mühelos bekommen sie ihre Redezeit.

Die Stunden zuvor in der Hauptstadft heftig diskutierte Frage, warum Scholz nicht von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die Ramsteiner Veranstaltung zu verbieten - nach 39 Toten kann er das plötzlich -, interessiert Herrn Kleinmann nicht die Bohne. Es werde doch unbürokratisch geholfen? Natürlich. Es gebe doch keine parteipolitische Auseinandersetzung? - Selbstverständlich nicht. Abschließend quetscht der Profi-Frager qualvoll hervor: „Weil's dazu gehört: Sie sind zum Rücktritt aufgefordert worden, und mit einer Strafanzeige müssen Sie auch rechnen.“ - Regungslos antwortet die Profi-maske: „Davon habe ich gehört, aber ich erspare mir jeden Kommentar.“ - Kameraschwenk. Endlich und zuguterletzt würgt es den ARD-Korrespondenten: „Eine solche Sendung macht keiner gerne, wir haben sie machen müssen“ hätten sie nicht...

Petra Bornhöft