Türkei schickt Iraks Kurden zurück in den Tod

■ Nach Giftgasangriffen der irakischen Luftwaffe fliehen Tausende Kurden in die Türkei / Regierung Özal schiebt Flüchtlinge lastwagenweise nach Irak ab / Auch türkische Dörfer von Irakis bombardiert / Kurdische Organisationen appellieren an UNO / Perez de Cuellar schweigt

Istanbul (taz) - Nach den im letzten Monat verstärkten Giftgasangriffen der irakischen Luftwaffe auf die größte kurdische Widerstandsorganisation der Peschmergas versuchen Zehntausende kurdische Zivilisten die irakisch-türkische Grenze zu überschreiten.

Mehrere Tausend verfolgte Kurden, mehrheitlich Frauen und Kinder, sind bereits auf türkischem Gebiet und werden in Sammellagern nahe der Stadt Cukurca festgehalten. Die türkische Armee schickt die Flüchtlinge jedoch zurück in den Giftgastod. Auf Militärlastern werden sie abgeschoben. Der sozialdemokratische Abgeordnete Cumhur Keskin, dessen Wahlkreis in der betroffenen südöstlichen Provinz Hakkari liegt, bezifferte die Zahl der kurdischen Flüchtlinge auf 35.000. „Mit der Abschiebepraxis beteiligt sich die Regierung Özal an den Verbrechen des Saddam Hussein -Regimes“, so Keskin.

Die türkische Regierung schweigt bislang zu den Vorgängen im Grenzgebiet. Befragt zu Giftgasangriffen der irakischen Armee auf kurdische Zivilisten, erklärte der türkische Verteidigungsminister Ercan Vuralhan, die Vorgänge im Nordirak beträfen „innere Angelegenheiten eines Nachbarstaates“. Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder sei erklärtes Ziel türkischer Außenpolitik.

Unterdessen gingen in den vergangenen Tagen irakische Bomben auch auf türkischem Territorium nieder. Panik herrschte in Uludere nahe der Grenze, als Bomben 500 Meter entfernt einschlugen. Die Straße von Uludere nach Sirnak mußte nach einem Bombenangriff geschlossen werden. Diese Grenzverletzungen werden allerdings von der türkischen Seite nicht gern gesehen. „Wir sind ständig in Kontakt mit dem Irak und haben mitgeteilt, daß wir keine Toleranz gegen Grenzverletzungen zeigen werden“, so der Verteidigungsminister.

Nach gültigem Recht ist die Türkei nicht verpflichtet, Asylbewerber aus außereuropäischen Ländern aufzunehmen. Falls die Bemühungen der Peschmergas vor den Vereinten Nationen, die Türkei zur Aufnahme der Flüchtlinge zu bewegen, scheitern, heißt das im konkreten Fall, daß Tausende Zivilisten zurück in den Giftgastod geschickt werden.

Ömer Erzeren

Perez de Cuellar schweigt

Genf (taz) - Bis heute hat UNO-Generalsekretär de Cuellar nicht auf das Anliegen der Kurden reagiert, ihre Lage als verfolgte Minderheit im Irak und Iran als Thema in die von ihm vermittelten Genfer Friedensverhandlungen zwischen beiden Ländern aufzunehmen. Seit der Waffenruhe am Golf geht der Irak mit brutalen Mitteln gegen die Kurden vor. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte darüber mehrmals berichtet. Ziel der Angriffe im Grenzgebiet mit der Türkei und dem Iran sei die Vertreibung der kurdischen Minderheit, um Kontakte mit Kurden in der Türkei und dem Iran zu verhindern. Nach Angaben der Gesellschaft setzen die irakischen Truppen Chemiewaffen ein.

Am Dienstag vergangener Woche hatten Vertreter aller kurdischen Parteien des Irak wie des Iran Perez de Cuellar in Genf einen Brief mit der Bitte um „Einrichtung einer Kommission, die parallel zu den Verhandlungen zwischen Irak und Iran eine Friedenslösung für das kurdische Volk erarbeiten soll“, übergeben. Ohne eine solche Lösung werde es „keinen dauerhaften Frieden in der Golfregion geben“.

Andreas Zumach