218: In Bayern beraten und verkauft

Beratungsstellen dürfen keine Hilfestellung bei legalen Schwangerschaftsabbrüchen mehr geben Geplantes Bundesberatungsgesetz wird damit vorweggenommen / Ärzte werden kontrolliert  ■  Aus München Luitgard Koch

Ohne die bestehenden Gesetze ändern zu müssen, versucht die Bayerische Staatsregierung, das umstrittene Bundesberatungsgesetz bei Schwangerschaftsabbrüchen bereits jetzt durch die Hintertür im Freistaat durchzusetzen. Auf dem Verordnungswege wurden die Richtlinien für die bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen einschneidend verändert. Die Beratungsstellen, denen immer wieder versichert wurde, sie bei allen Veränderungen miteinzubeziehen, wurden davon in den Sommerferien überrascht.

In einer gemeinsamen Bekanntmachung des bayerischen Innen und Sozialministeriums vom Juli 1988 zu den Durchführungsbestimmungen zum Schwangerenberatungsgesetz wurde die Hilfe bei Schwangerschaftsabbruch gestrichen. Während in der alten Fassung eindeutig festgelegt war, daß der Schwangeren auch geholfen werden muß, wenn sie sich für einen Abbruch entscheidet, gibt es jetzt eine solche Regelung nicht mehr. Die Beratungsstellen sollen die Frauen lediglich über die Rechtslage informieren. Adressen von Krankenhäusern oder Ärzten, die einen Abbruch vornehmen, dürfen die Beratungsstellen nicht mehr weitergeben. Die Frauen sollen sich diese Adressen von den Krankenkassen besorgen. Wie jedoch der erst vor kurzem bekanntgewordene Fall der Landwirtschaftlichen Krankenkasse in Unterfranken zeigt (s.taz v. 19.8.88), die sich grundsätzlich weigert, die Kosten für einen Abbruch bei sozialer Indikation zu übernehmen, können die Frauen von dieser Seite nicht unbedingt mit Hilfe rechnen. Bezeichnend ist, daß die neuen Richtlinien die Beratungsstellen auch nicht mehr verpflichten, die Frau darauf hinzuweisen, daß die Kasse die Kosten für einen legalen Schwangerschaftsabbruch übernehmen muß. Ehe-, Partner- und Sexualberatung, also Aufklärung über Verhütung, sind nach den vorliegenden Richtlinien kein Thema der Beratung mehr und wurden völlig ausgeklammert.

Statt dessen werden die Beratungsstellen jetzt verpflichtet, die Ärzte der Schwangeren zu kontrollieren. Bayerische Beratungsstellen müssen künftig Ärzte dazu anhalten, daß sie schwangere Frauen über Sinn und Zweck der sozialen Beratung unterrichten, sie zum Besuch der Beratungsstelle motivieren und ihnen darüberhinaus klarmachen, daß vor einer Indikationsstellung eine soziale Beratung erfolgen muß. Neu ist auch, daß die als Sozialberater anerkannten Ärzte mindestens einmal im Jahr zu einer gemeinsamen Fallbesprechung mit den Beratungsstellen erscheinen müssen. Insgesamt soll der Druck auf die Ärzte verstärkt werden. Ärzte, die als Sozialberater zugelassen werden wollen, müssen sich jetzt zu einer persönlichen Aussprache bei der Regierung einfinden. Bisher genügte ein schriftlicher Antrag. Nach der neuen Version der Richtlinien kann die Beratungsstelle der Frau sogar ihre Beratungsbestätigung, die ihr rechtlich zusteht, verweigern. Grund: die Schwangere hat das Informations- und Gesprächsangebot der Berater nicht entgegengenommen.

Das bayerische Arbeitsministerium sieht in diesen Änderungen nur „eine redaktionelle Überarbeitung und Aktualisierung der geltenden Durchführungsbestimmungen“, die man „auf Wunsch und Vorschlag des Innenministeriums“ durchgeführt hat. Auch das Justizministerium mischt bei der Verschärfung des Klimas kräftig mit. Bei der Beratung komme es auf die „Einflußnahme auf die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft an“, betonte Justizstaatsekretär Wilhelm Vorndran.

Fast gleichzeitig mit der Änderung der Regelungen bei der Schwangerenberatung kürzte die CSU-Regierung die finanziellen Hilfen der „Stiftung Mutter und Kind“. Ab Oktober dieses Jahres werden bei der Berechnung der Einkommensgrenze nicht mehr wie bisher der dreifache Sozialhilfesatz angesetzt, sondern nur mehr der zweifache. Gesenkt wurde auch der Familienzuschlag. Grundsätzlich soll das Geld nur noch Frauen in „schweren Konfliktsituationen wie Verlassenwerden vom Kindsvater“ zustehen.