Scholz pupt, Amis husten, Flieger düsen

Verbot von „Kunstflügen“ betrifft nur die Bundeswehr / Alliierte husten dem Verteidigungsminister eins und kritisieren „Überreaktion“ / Die italienischen „Teufelskerle“ rüsten ihre Staffel zur nächsten Show / Keine Auswirkungen des Ramstein-Desasters auf Tiefflüge  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Das vom Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) angeordnete Verbot „militärischer Kunstflugvorführungen“ bezieht sich allein auf die bundesdeutsche Luftwaffe, die seit den sechziger Jahren nicht mehr über eine offizielle „Kunstfliegerstaffel“ verfügt. Sämtliche anderen NATO-Flieger können entsprechend gängiger Rechtsauffassung und Praxis ihr Unwesen in der Bundesrepublik treiben. Und sie werden von diesem Recht Gebrauch machen. Das kündigten NATO-Oberfehlshaber John Galvin, US-Botschafter Richard Burt und der Sprecher des Weißen Hauses Marlin Fitzwater an. Minister Scholz sagte gestern dazu nicht mal „Pieps“. Die Tatsache, daß alliierte Militärs und befreundete Regierungen nahezu übereinstimmend die Reaktion von Scholz auf das Unglück von Ramstein als „überzogen“ kritisierten, entlockte dem Verteidigungsminister offenbar noch nicht mal ein Stirnrunzeln, geschweige denn eine Silbe. Alle ausländischen Flugschauen finden wie geplant statt. Die italienische Flugstaffel „Frecce tricolori“, deren waghalsige „Kunst“ in Ramstein bisher 47 Menschenleben forderte, hat ihre Lücken gefüllt und wird am kommenden Samstag in der Schweiz in die Luft gehen, spätestens aber am 17.September bei einer Flugschau im spanischen Saragossa.

US-Botschafter Burt hatte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz am Montag abend bekräftigt, er gehe „davon aus, daß auch künftig in der Bundesrepublik Air -Shows zu sehen sein werden“. Nicht bemerkt zu haben schien Scholz auch, wie NATO-Oberbefehlshaber John Calvin des Ministers Verlautbarungen via Tagesschau vom Tisch pustete: „Flugtage sind viel zu wichtig, als daß wir auf sie verzichten können.“ Trotz dieser klaren Stellungnahme wagte das Verteidigungsministerium gestern keinen Muckser. Burt habe im ZDF seine „Offenheit und Diskussionsbereitschaft“ gezeigt, antwortete die Bonner Hardthöhe der taz.

Sollte Scholz mit den Amerikanern und anderen Alliierten über das Thema „Luftakrobatik“ plaudern, dann nicht über die Tiefflüge insgesamt. Denn, so der Verteidigungsminister und seine amerikanischen Freunde unisono: „Der Unfall von Ramstein hat nichts mit militärischen Tiefflügen zu tun.“ Diese müßten, so Scholz weiter, „auch weiterhin im Interesse unserer Sicherheit durchgeführt werden“.

Mit seiner Argumentation wolle Scholz „die Flugschauen opfern, um die Tiefflüge zu retten“, sagte Alfred Mechtersheimer, Friedensforscher und MdB der Grünen, gegenüber der taz. Doch man müsse bezweifeln, ob der Minister gewillt sei, seine „vollmundige Geste“ zu verwirklichen, „das geht nur über politischen Druck“. Rechtlich habe die Bundesrepublik keine Entscheidungskompetenz, militärische Flugbewegungen der NATO -Partner zu untersagen.

NATO-Truppenstatut und ein Zusatzabkommen von 1963 gestatten alliierten Streitkräften, sich in und über der Bundesrepublik „im Zusammenhang der Dienstobliegenheiten“ zu bewegen. Daß dazu auch ein Flugtag gehört, versicherte 1983 der damalige Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner ausdrücklich. Ein Verwaltungsgericht bestätigte die Ansicht des Ministers, wonach Streitkräfte Gelegenheit haben müßten, ihre Qualitäten vorzuführen und für den Militärdienst zu werben.

Konkret bedeutet die Akrobaten-Verlautbarung des Bundesverteidigungsministers: Bis zur Vorlage eines Untersuchungsberichtes über das Unglück von Ramstein wird die Bundeswehr Fortsetzung auf Seite 2

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keine „Tage der Offenen Tür“ veranstalten. An den jährlich 40 bis 50 Flugvorführungen privater Vereine wird sich die Luftwaffe nicht beteiligen. Nach wie vor unklar ist die Unterscheidung von Scholz zwischen „Luftakrobatik“ und „normalen Tiefflügen“. Die Grenze zwischen ein oder zwei Loopings zu ziehen, hielt ein Sprecher der Hardthöhe für „unseriös“. „Artistisches Können“ müsse jeder Flieger besitzen und es bestehe „ein Riesenunterschied zwischen „Luftakrobatik“ und „Ausbildungsflügen“.

Unterdessen bot die Firma „Video-Air-Service“ einen Video -Film über das Unglück an. Der Flugtag solle - mit Bildern vom Zusammenstoß - „positiv dargestellt werden“. In einem jetzt erschienenen, vorab fabrizierten Werbetext des Magazins 'Flugrevue‘ heißt es: „Ramstein, das Mekka aller Militärflug-Enthusiasten, war dieses Jahr wirklich eine Reise wert. Denn das Programm übertraf alle Erwartungen.“