RÄTSELHAFTES GEORGIEN

■ Verschollene Filme und „bahnbrechende“ Werke im Arsenal

Aufregung herrschte letzte Woche bei den „Freunden der deutschen Kinemathek“: Die hochgelobten Filme aus Georgien, die in Deutschland noch niemand gesehen haben soll, schienen vom Erdboden verschwunden zu sein, vom angekündigten Dolmetscher aus der UdSSR war immer noch kein Lebenszeichen zu vernehmen, und nicht mal das für Juli versprochene Informationsmaterial über die georgischen Filme war eingetroffen. Nach unzähligen Telefonaten stellte sich heraus, daß sich der Großteil des georgischen Verwaltungsapparates einschließlich der für Filmfragen zuständigen Bürokraten im Sommerurlaub befindet.

Die Filme konnten dann immerhin auf dem innerrussischen Moskauer Flughafen lokalisiert werden, und der Dolmetscher meldete sich telefonisch: Er schlug vor, die Filme selbst mitzubringen, wovon Erika Gregor ihm allerdings abriet, da er in Warschau das Flugzeug wechseln müsse, was sich mit rund 50Filmrollen unterm Arm etwas schwierig gestalten dürfte.

Am vergangenen Montag sollen die Filme dann tatsächlich abgeflogen sein, bis gestern morgen waren sie aber noch nicht in Berlin eingetroffen: bester Beweis für die Eigenständigkeit des georgischen Kinos, das sich seit jeher von Moskauer Einengungen freizuhalten verstanden hat. Die Filme Otar Iosselianis, Tengis Abuladses oder Sergej Paradshanows sind nur die bekanntesten Beispiele für den eigenwilligen Humor und die kritischen Seitenhiebe auf Bürokratie und Dogmatismus, mit denen georgische Filmemacher von Anfang an eine eigenwillige Stilform aus avantgardistischen und folkloristi schen Elementen hervorgebracht haben.

Diese Reihe wird in Deutschland das erste Mal einen umfassenden Überblick über die georgische Filmproduktion der achtziger Jahre bieten: „Bahnbrechende“ Werke und verschiedene Regisseure werden als Gäste im Arsenal erwartet. Besonders sehenswert sollen „Der Klecks“ (am 7. und 14.September) von Alexander Zabadse, „ein realistischer, tabubrechender Film“, und „Die Stufe“ (am 11. und 15.September) von Alexander Rechwiaschwili, „ein formal wagemutiger und experimenteller Film“, sein.

Torsten Alisch

1. bis 18.September im Arsenal