Baubeginn für Kfz-Werkstatt

■ In Corinto beginnt der Bau des größten bremischen Solidaritäts-Projektes in Nicaragua / Luxusklo nach Euro-Norm / Nachdenken über „Partnerschaft“

Es gibt Projekte, die so lange im Gespräch sind, daß nach einer Weile außer den Eingeweihten niemand mehr weiß, in welchem Stadium sie eigentlich sind. Die Kfz-Werkstatt für die nicaraguanischen Hafenstadt Corinto ist eines dieser Projekte. Zwei Jahre lang hatte der „Verein Städtesoli

darität Bremen - Corinto“ Spenden gesammelt, Behörden bearbeitet und für sein Projekt geworben - jetzt ist der Baubeginn abzusehen. Freut sich Rainer Vogel, ABM-Kraft des Vereins und gerade aus Corinto zurückgekehrt: In den kommenden Wochen geht es endlich los.

„Zwei Jahre sind eine lange Zeit“, räumt Vogel ein - dabei ist das für ein Entwicklungshilfe-Vorhaben in einem Land der Dritten Welt noch ein erstaunlich kurze Zeitspanne. „Ins Schlittern geraten“ (Vogel) war das wohl größte Bremer Solidaritätsprojekt in Nicaragua durch die Währungsreform im Februar. Durch den neuen Wechselkurs drohten die Kosten zu explodieren - die notwendigen Aufschüttungen auf dem zunächst ins Auge gefaßten Grundstück sollten plötzlich statt 10.000 Dollar mehr als 100.000 Dollar kosten. Außerdem war das Gelände unversehens für Wohnbebauung ausgewiesen, nachdem Städteplaner aus Rotterdam, der niederländischen Partnerstadt Corintos, eine entsprechende Entwicklungsstudie verfaßt hatten.

Doch ein Ersatzgrundstück mit rund 4.000 Quadratmetern, für das keine Aufschüttung nötig ist, wurde gefunden - in zentraler Lage in Corinto. Der Kaufvertrag ist unterschrieben, der „sehr unübliche“ Bauvertrag mit dem zuständigen Ministerium ebenfalls. Bezahlt wird jetzt in Dollar - dadurch sind Tauschkurs-Risiken und Preiserhöhungen praktisch ausgeschlossen. Teile des Baumaterials (etwa die Stahlträger) kann der Verein selbst in Costa Rica kaufen das vermeidet Verzögerungen. Und auch der Container mit gespendeten Ausrüstungsgegenständen, der schon seit April in Corinto steht, kann jetzt endlich geleert werden: In

zwei ausgeräumten Garagen soll ab Oktober eine provisorische Werkstatt mit einer nicaraguanischen Fachkraft und drei Helfern oder Helferinnen starten.

„Eigentlich“ war die neunköpfige Vereinsbrigade dort, um mit Spenden ein Toilettenhaus für eine Primarschule zu bauen - auch dies kein ganz unproblematisches Unterfangen, denn europäische Normen („DIN-Normen“, sagt Rainer Vogel) zeigten sich auch hier in den Details. Brigadistin Dagmar Eder: „Das ist schon ein Luxus-Klo geworden.“ Der Plan dazu war der Schule von einem englischen Architekten hinterlassen worden. „Das Fundament reicht dort normalerweise für ein zweistöckiges Wohnhaus aus. Außerdem haben wir viel mehr Material verbaut, als wirklich notwendig gewesen wäre“, schildert Dagmar Engel nachdenklich die Arbeit. Andererseits, daran besteht kein Zweifel: Eltern und LehrerInnen der Schule in Corinto haben das Projekt gewollt und tatkräftig unterstützt.

Wiltrud Sosna hat zugleich die Zeit genutzt, für eine Gruppe von MitarbeiterInnen bremischer Kindertagesstätten die Kontakte zu den Vorschulen in Corinto auszubauen. Ein Bilderbuch über das Leben der Kinder in Bremen hat die Gruppe zusammengestellt und ihr mitgegeben. Umgekehrt hat sie zwei Tage lang ein Kind durch Corinto begleitet, fotografiert und die Erklärungen des Kindes aufgeschrieben. Zusammen mit Zeichnungen von Kindern aus Corinto soll daraus ein Bilderbuch entstehen, das in den bremischen Kindergärten eingesetzt wird.

Der Arbeitskreis hat inzwischen Kontakte zu sieben der dreizehn Vorschulen in Corinto aufgenommen; sie werden von

Kindern zwischen vier und sechs Jahren besucht. 40 Kinder sind pro Klasse angemeldet, aber regelmäßig kommt nur die Hälfte. Eltern schicken ihre Kinder nicht, weil sie entweder arbeiten müssen oder sich schämen - viele sind so arm, daß es nicht einmal für „schulfähige“ Kleidung oder Schuhe langt. Ähnliches gilt für die Vorschulen: dort dominiert der Frontalunterricht, weil kaum mehr Unterrichtsmaterial vorhanden ist als eine schlichte Wandtafel. „Und sie haben es trotzdem geschafft, ein Modellprogramm zu entwickeln“, erzählt Wlitrud Sosna begeistert, etwa zur Frage „Was ist Wasser?“

Auch Wiltraud Sosna berichtet von Problemen, die sich einstellen, wenn „Partnerschaft“ nicht nur als karitative Hilfe verstanden werden soll. So hatte sie sich nicaraguanische Kinderspiele zeigen lassen und deutsche vorgestellt. Weil die Vorschulen in Corinto praktisch kein Spielmaterial haben, organisiert ihre bremische Arbeitsgruppe den Versand von Spielen, die die NicaraguanerInnen besonders interessant fanden. „Schwarzer Peter war ein ziemlicher Renner“, fand sie. Gummi-Twist kam dagegen bei den Lehre rinnen schlechter: „das waren ja auch teilweise ältere Damen“ - aber auch die Kinder waren nicht besonders angetan. Das Zuordnungs-Spiel „Memory“ hingegen war sehr schwer, weil in Nicaragua Spiele ganz eng mit dem praktischen Alltag verbunden, in Europa jedoch viel abstrakter sind: „Selbst die Lehrerinnen konnten nicht mit mehr als 16 Plättchen spielen.“ Dennoch: Auf der Wunsch-Liste, die sie nach Bremen zurücknahm, steht Memory ganz oben. Wiltrud Sosna: „Sollen wir jetzt etwa sagen, das kriegen sie nicht? “

mc