„Wie bei Dippels unter'm Sofa“

■ Untersuchungsausschuß zum Klinikskandal St.-Jürgen-Straße verhörte erstmals wieder Zeugen / Mängel in der Klinikhygiene / Küche „massiv verkeimt“

Unappetittliche Einblicke in „Hospitalkeime“ und „Krankenhaus-Hygiene“ gewann gestern der parlamentarische Untersuchungsausschuß „St.-Jürgen-Straße“. In der ersten Zeugenvernahme nach der Sommerpause erkundigten sich die ParlamentarierInnen bei zwei Fachleuten nach verkeimten Krankenhaus-Kochtöpfen und mangelhaft desinfizierten Operationssäalen, nach krankenhausbedingten Infektionen und nach der jahrzehntelangen Tatenlosigkeit der Verantwortlichen. Sie förderten damit weiteres Material zu Tage, das das inzwischen abgelöste Klinik-Direktorium und den früheren Gesundheitssenator Brückner belastet.

Durchschnittlich fünf Prozent aller PatientInnen holen sich Infektionen durch „Hospitalbakterien“. Um diese Rate zu senken bzw. nicht weiter zu erhöhen, konstituierte sich auch in der St. Jürgen-Straße eine „Hygiene-Kommission“ unter Vorsitz des mittlerweile geschaßten ärztlichen Direktors Dr. Henschel. Diese Kommission tagte seit ihrer Gründung 1978 nur zweimal - Ausdruck des hygienisches Bewußtseins des Dr. Henschel.

Vor allem im chirurgischen Zentralgebäude machten Klinikhygieniker unhygienische Mißstände aus. „Dauerbrenner“ blieb dabei seit 1971 die „Bettenzentrale“, in der eigentlich Klinikbetten gereinigt und desinfiziert

werden sollen, in der jedoch bis heute „Reines und Unreines“ nicht auseinander gehalten wird. Norbert Schmacke: „Da sieht es noch immer aus wie bei Dippels unter'm Sofa.“

In der Klinikküche waren „massiv verkeimte Gegenstände“ im Gebrauch, Wäschewagen transportierten desinfizierte und nicht desinfizierte Ladung, Müll lagerte vor OP-Türen, Stationschefs meldeten dem Hygieninstitut „vermehrte Infektionen“.

Die beiden Experten im Zeugenstand machten auch bauliche Mängel für die Mißstände verantwortlich. Dr. Steinmann: „Das Zentralgebäude kann man aus hygienischen Gründen abreisen.“

Die beiden Klinikhygieniker

hatten - ebenso wie schon ihre Amtsvorgänger - mehr oder weniger vergeblich versucht, Einfluß auf den Chef-Hygieniker des Klinikums oder die vorgesetzte senatorische Behörde zu nehmen. „Das war ein Lauf in die Watte hinein“, umschrieb Norbert Schmacke vom Gesundheitsamt seine Bemühungen als „Rufer in der Wüste“. Schmacke hatte schließlich mit dem „Bundes-Seuchen-Gesetz“ und dem Schließen von Stationen gedroht. Positiv wußten er und sein Kollege vom Hygieneinstitut jedoch zu vermelden, daß die neue Klinikleitung das nötige Verantwortungsbewußtsein im Umgang mit den „Hospitalkeimen“ zeigt.

B.D.