CDU will Schulsystem nicht „akzeptieren“

■ Schüler-Union und Frauen-Vereinigung liefen Sturm gegen den Versuch, die Fundamentalopposition gegen das Bremer Schulsystem zu relativieren / CDU-Chef Neumann sah sich im Stich gelassen und entschärfte den eigenen Antrag

„Kommt mal aus den Ecken und äußert Euch“, rief der Bremer CDU-Vorsitzende Bernd Neumann am Mittwoch abend den Bildungs -Politikern der CDU-Bürgerschaftsfraktion zu - eine Revision der christdemokratischen Bildungspolitik sollte auf dem Parteitag abgesegnet werden, und wollte keiner am Rednerpult dafür einstehen, als die Parteibasis, allen voran die VertreterInnen der Schüler-Union und der Frauen-Vereinigung Sturm liefen. Unter Beifall hatte Neumann eingangs erklärt, worum es ging: „Wir haben die Or

ganisation in Schulzentren nicht gewollt. Es gibt sie aber... Also müssen auch wir mit diesen Schulzentren leben und unseren Frieden schließen.“ Man müsse die Schulstufen -Zentren als geschaffene Tatsachen „akzeptieren“ und die eigenen Ziele innderhalb dieses Rahmens verfolgen, stand im Leitantrag. Begründung: Trotz des Widerstands gegen ihre Schulpolitik habe die SPD die Wahlen „immer wieder“ gewonnen. Taktisches Nebenargument: Auch die lange bekämpfte Uni habe man irgendwann als geschaffene Tatsache

akzeptiert, um handlungsfähig zu bleiben. Daß die Konsequenz dieser Überlegung als Angebot in Richtung SPD verstanden wurde, lag auch an jenem Satz im Leitantrag: „Auch wenn die CDU an einem Senat beteiligt sein sollte, wird sie im Interesse des Schulfriedens keine Gegenreformation im bremischen Schulsystem durchführen.“

Dieser Verzicht auf „Gegenreformation“, so klug er politisch gemeint war, ging der Parteibasis an die Identität. Jörg Kastendiek (Junge Union) sah die CDU damit von der „Perspektivlosigkeit in die Profillosigkeit“ absinken, Schüler-Union-Sprecher Klaus Stieringer wollte die neue Bildungspolitik „auf keinen Fall“, auch wenn das sehr teuer wäre, müsse die CDU programmatisch die „Rückkehr zum alten Schulsystem“ fordern. Frau Motschmann gestand: „Wir als protestantisches Pfarrerehepaar haben unsere Kinder auf eine katholische Privatschule geschickt“, so

schlimm sei es in Bremen und nie zu akzeptieren.

Der Beifall für die Unmutsäußerungen der Basis war deutlich, da schritt der kulturpolitische Sprecher der CDU -Fraktion, Dr. Bernt Schulte, nach vorn, geißelte die „ärgerlichen Äußerungen des Herrn Niederbremer“ und forderte den Landesvorsitzenden Neumann auf, endlich ein „klärendes Wort“ zu sprechen. Falls die Anpassung der CDU -Schulprogrammatik an geschaffene Tatsachen, wie sie in dem vorliegenden Leitantrag formuliert ist, von der Partei beschlossen würde, würde er, Schulte, den CDU -Parlamentariern empfehlen, diese Partei-Polition nicht im Parlament zu vertreten. Er sehe keinen Anlaß, das gute CDU -Wahlprogramm zu revidieren, appellierte Schulte an die fleißigen Wahlkämpfer.

Da war das Geschick des CDU-Landesvorsitzenden Neumann gefordert. In einer kämpferischen Rede verwahrte er sich gegen die

Unterstellung, seine bildungspolitische Position sei unklar. Neumann führte den CDU-Delegierten rhetorisch überzeugend vor, wie der Bildungssenator Franke sich über die CDU lustig machen könnte, wenn er wolle: Grundsatztreu und dem dreigliedrigen Schulsysstem ergeben verteidige die CDU dennoch mit ganzer Kraft in der Praxis zum Beispiel die Schule Herrmann Böse-Straße oder Lange Reihe - aber das seien die Stufenschulen, die die SPD geschaffen hat, erinnerte Neumann an die geschaffenen Tatsachen, die die Partei in ihrer Praxis eben längst „akzeptiere“. Die Theorie müsse zur Praxis passen, suchte der Landesvorsitzende klarzumachen.

Und dann kam er doch in einer klammheimlichen Wende dem Kontrahenten Schulte entgegen: Wo die Antragskommission „Ablehnung“ geschrieben hatte, vertrat auch Günter Niederbremer nun „Zustimmung“, statt der Formel, daß die CDU -Politik das

geschaffene Stufensystem „akzeptiere“, könne man ja sagen, man nehme es bei der eigenen Schulpolitik zum „Ausgangspunkt“ - streng genommen eine Binsenweisheit. Die Absage an eine „Gegenreform“ könne man auch streichen, signalisierte Neumann - und so erreichte der Parteitag dann nahezu Einstimmigkeit mit denen, die die schulpolitische Kehrtwendung strikt ablehnten. Mutig und dagegen bei dieser zentralen Abstimmung erhoben nur die Geschäftsführer ihre Stimm-Arme, Andreas Penning und Erich Röper.

Nach dieser Kraftprobe war der Schulpolitische Sonderparteitag der CDU bald zu Ende. Den Rest des Leitantrages übertrug man den zuständigen Kommissionen zur weiteren Beratung, noch in diesem Jahr soll ein weiterer Parteitag das so entschärfte Papier „Aussagen zu Fragen der Schulorganisation“ im Sinne des alten Wahlprogrammes beschlossen werden.

K.W.