Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen

■ „Rechtsdruck“ - eine Untersuchung über die Presse der „Neuen Rechten“

Die neue Unübersichtlichkeit hat längst auch die Medien befallen. Und manch einer mag sich gutgläubig in ihrem ideologischen Irrgarten verlaufen. Damit nachher keiner mehr behaupten kann, er habe nicht gewußt, was er tat, hat eine Arbeitsgruppe der Universität/Gesamthochschule Duisburg ihre Ergebnisse in einem Buch mit dem Titel Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten niedergelegt. Der Herausgeber ist Siegfried Jäger, Professor für Germanistik.

Die Gruppe listet die Periodika rechter Organisationen in der Bundesrepublik auf, untersucht deren Argumente und macht die sprachlichen Propagandamittel transparent. Mit mehr als 130 regelmäßig erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften versucht die Neue Rechte auf ganz unterschiedliche Zielgruppen einzuwirken. Dabei versteht sie es offenbar, sich jeweils dem Hintergrundwissen und dem Weltbild der unterschiedlichen sozialen Gruppen oder gesellschaftlichen Schichten anzupassen.

Ein Kapitel des Buches dient ausschließlich der Analyse der Zeitschrift 'Mut‘. Schließlich wird 'Mut‘ von unserem Bundeskanzler höchstpersönlich gelesen. Er liebt besonders die Artikel des ständigen 'Mut'-Mitarbeiters Gerd-Klaus Kaltenbrunner, den die CDU übrigens mit dem Konrad-Adenauer -Preis für Literatur beehrte. Seine Vorliebe für Kaltenbrunner machte der Kanzler unlängst in einem Leserbrief an 'Mut‘ publik. Was Wunder, wenn die Duisburger Arbeitsgruppe Kaltenbrunner ihre besondere Aufmerksamkeit widmet, zumal einem Text vom Februar 1987 mit der Überschrift „Bestimmt Hitler die Richtlinien unserer Politik?“

In einer detaillierten Analyse legt Siegfried Jäger Unterstellungen und demagogische Absichten des Autors bloß. Indem Kaltenbrunner zum Beispiel die „Enthitlerisierung“ der Bundesrepublik fordert, will er die Ideologie des Nazi -Faschismus von dem desavouierenden Namen Hitlers loskoppeln. Damit möchte er eine mögliche Blockade beim Leser aufbrechen und unbemerkt den Boden für rechtskonservative und nationalrevolutionäre Ideen bereiten.

Beteiligt an diesem fatalen Versteckspiel ist auch die Zeitschrift 'Elemente‘, das Theorie-Organ des „Thule -Seminars“. In 'Elemente‘ schreiben unter anderen dessen Gründer und Leiter Pierre Krebs sowie der Chefideologe der Neuen Rechten Europas, Alain de Benoist. Als geistige Väter einer neuen rechten Theorie werden honorige „Vordenker“ bemüht wie Ludwig Wittgenstein, Max Weber und Antonio Gramsci. Doch man darf sich nicht täuschen lassen. Angeblich steht im Mittelpunkt der rechten Ideologie eine ganzheitliche Natur- oder Systemtheorie im Sinne eines Fritjof Capra, die ökologisch ausgerichtet sei und Mensch und Natur als Partner betrachte. Tatsächlich wird Wissenschaft aber dem Mythos untergeordnet. Alles Lebendige, also auch der Mensch, folgt einem Schicksalsweg.

Damit sind die Menschen aus ihrer eigentlichen Verantwortung entlassen. Die Frau soll bleiben, was sie jahrhundertelang zu sein hatte: die anbetungswürdige Heilige, die in der Gestalt der Mutter zu verehren war. Den Verlust an realem Menschsein für die Frau vernebelt Pierre Krebs im Dunstkreis von Mythos und männlichem Wunschdenken: „Zu Ende des Jahrhunderts besitzt die Frau die Schlüssel unseres Schicksals. Sie soll ihren männlichen Flitterkram verbrennen und das leuchtende Kleid der Mutterschaft wieder anlegen.“ Dann könnte wieder mal mit weiblicher Unterstützung eine männliche Utopie Wirklichkeit werden, nämlich Deutschland, den Ort „unserer schändlichsten Schwächen, unserer Untreue ... zur Stätte des härtesten Widerstandes, der unerbittlichsten Rückeroberung“ zu machen. Für die allzu Verschreckten findet Krebs am Ende auch ein ermutigendes Wort. Hier zitiert er nämlich Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Deutlich werde hier, so resümiert der Germanist Siegfried Jäger, „ein raffiniertes Manipulieren“. Mit seinen Zitaten ziele Krebs auf eine Bildungsbürgerschicht, für die Namen und bekannte Worte von Dichtern immer noch „die Funktion kollektiver Symbole“ hätten. Durch das „Wir„-Gefühl werde versucht, die Leser in die rechte Gedankenwelt einzubinden. Allerdings müsse hier noch eine bestimmte Befindlichkeit der Adressaten hinzukommen, eine gewisse Orientierungslosigkeit angesichts der Brüchigkeit alter Werte und dem damit verbundenen Gefühl der Verlorenheit.

Zielgruppe der neurechten Organe sind aber auch Jugendliche aus dem proletarischen Milieu und hier vor allem diejenigen, die von sozialem Abstieg - etwa durch Arbeitslosigkeit bedroht sind. Nach dem Motto „Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen“ gibt es für sie eine Jugendzeitschrift. Diese heißt nicht nur 'Klartext‘, sie propagiert auch ganz offen faschistische Inhalte. Gesellschaftliche, ökologische, politische Mißstände werden mitnichten auf ihre wahren Gründe hin untersucht. Vielmehr sollen beim jugendlichen Leser Ängste erzeugt und Aggressionen vor allem gegenüber Ausländern geweckt werden. Im 'Klartext‘: „Mord, Totschlag, Blutrache, Vergewaltigung ... usw. sind nur einige Punkte aus der Palette an Straftaten, die von Ausländern in Deutschland - als Gäste wohlgemerkt - begangen werden.“ Der Text endet mit der Legitimation von Gewalt: „Wer Jugendliche, die sich mit Stolz dazu bekennen, deutsch zu sein, und Freundschaft und Kameradschaft pflegen, als hirnlose und besoffene Schläger abtut, darf sich nicht wundern, daß die Gewalt die Sprache der Straße wird.“

Rechtsdruck macht den ideologischen Zusammenhang durchsichtig, durch den die Neue Rechte ihre „kulturelle Hegemonie“ gewinnen möchte. Daß sie sich mit dieser Vokabel ausgerechnet an den italienischen Marxisten Gramsci anlehnt, stört sie wenig. Ihr geht es darum, möglichst viele gesellschaftliche Gruppen auf ihre Seite zu bringen. Erst wenn die kulturelle Hegemonie erreicht ist, kann der bewaffnete Kampf um die politische Macht beginnen. So schreibt Pierre Vial, ein Vertreter der Neuen Rechten in Frankreich: „Zwangsläufig tritt nämlich früher oder später der Zeitpunkt ein, wo man die Feder gegen das Gewehr vertauschen muß, um sich nicht selbst zu belügen.“

Hannegret Biesenbaum

Siegfried Jäger (Hrsg.): „Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten“, Bonn, Dietz, 1988, 19.80Mark