Das Gedächtnis der Liga

25 Jahre Bundesliga in der Statistik  ■  WIR LASSEN LESEN

Während der Sendung „Alles oder Nichts“ kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Moderator Schnelle und dem Kandidaten Meier, der zum Thema Bundesliga befragt wurde. Die umstrittene Frage lautete, wer nach dem 14. Spieltag der Saison 65/66 die Torschützenliste anführte. Der Kandidat Meier antwortete, das sei Lothar Emmerich mit 14 Treffern gewesen, wobei er den 14. Treffer beim 2:1 Auswärtssieg seiner Mannschaft gegen den 1. FC Köln zum 2:0 in der 31. Minute geschossen habe. Der Moderator bewertete die Antwort als falsch, da auf seinem Zettel Konietzka von 1860 München vermerkt war. Daraufhin kam es zum Eklat. Die Sendung mußte unterbrochen werden. Einem zufällig anwesenden taz -Mitarbeiter gelang es, den Kandidaten Meier zu einem kurzen Gespräch vors Mikrofon zu bekommen.

taz: Herr Meier, wer hat denn nun recht?

Meier: Ja, wissen Sie, beide. Ich habe nochmal darüber nachgedacht. Der Konietzka hat beim 2:0 Sieg der Sechziger über den KSC in der 58.Minute seinen 14. Saisontreffer erzielt.

Woher nehmen sie die ganzen Fakten?

Es gibt da so etwas wie ein Standardwerk, in dem alle Fakten über die ersten 25 Jahre zusammengetragen worden sind.

Sie wollen sagen, sie haben sich hingesetzt und ein Buch auswendig gelernt?

Ja.

Woher nehmen sie die Zeit?

Ich bin arbeitslos und sehe das sozusagen als Berufsperspektive. Ich verhandle bereits mit verschiedenen Fernsehsendern.

Aber es gibt doch Computer.

Das Fernsehen lebt von seinen Showeffekten. Was für einen Showeffekt haben Computer? Aber ich als wandelndes Bundesligagedächtnis, ich bitte sie, das ist doch der Knüller.

Vielleicht haben sie recht. Sie sagten, es gäbe ein Buch voller Statistiken.

Ja, das wird sie sicher auch interessieren.

Das kann ich mir nicht vorstellen.

Wann waren denn sie das letztemal auf dem Fußballplatz?

Ich glaube, das war Eintracht Braunschweig gegen Bayern, als Braunschweig Meister wurde. Das war, das war, warten sie ...

Das war am 15.4.1967. Eintracht gewann 5:2. Halbzeit 4:0. Die Mannschaftsaufstellungen: Wolter, Bäse...

Danke, danke, es reicht, fantastisch. Aber wissen sie auch unsere damaligen Anfeuerungsrufe?

Nein, davon steht nichts im Buch.

„Wir brauchen keinen Müller, wir brauchen keinen Held, wir haben Lothar Ulsaß, den besten Mann der Welt.“

Wirklich interessant, aber ich glaube, die Sendung geht weiter.

Wenig später versagte der Kandidat bei der Hauptfrage endgültig. Bei der Aufzählung sämtlicher Tore Gerd Müllers nannte er fünf zu viel. Abgefälschte Bälle, die in des Kandidaten Standardwerk Müller zugesprochen, offiziell aber als Eigentore gewertet werden.

Peter Huth

Raphael Keppel: 25 Jahre Bundesliga, Sport- und Spielverlag, Postfach 1268, 6442 Rotenburg/F. 680 Seiten. Preis: 50 Mark.